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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
Autoren: Margaret Atwood
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Medikamente.«
    »Wir kommen mit«, sagten sie. »Wir werden schnurren.« Sie formten mit ihren Armen einen Stuhl und hoben Jimmy wieder hoch. Die anderen scharten sich um ihn.
    »Nicht alle«, sagte Toby. »Er braucht Ruhe.«
    »Er kann das Zimmer von Croze haben«, sagte Ren. »Oder, Croze?«
    »Wer ist das?«, fragte Crozier und sah Jimmy kritisch an, der den Kopf hin und her baumeln ließ, der sich in den Bart sabberte, sich hektisch mit seiner dreckigen Hand durch den rosa Stoff hindurch kratzte und unverkennbar stank. »Wo habt ihr den denn von der Straße gekratzt? Wieso hat der diesen rosa Fummel an? Der sieht ja aus wie ne Ballerina.«
    »Das ist Jimmy«, sagte Ren. »Hab ich dir doch mal von erzählt. Mein Exfreund.«
    »Der dich so verarscht hat? Von der Highschool? Dieser Kinderschänder?«
    »Jetzt sei doch nicht so«, sagte Ren. »Ich war damals eigentlich kein Kind mehr. Er hat Fieber.«
    »Geh nicht, geh nicht«, sagte Jimmy. »Komm zurück zum Baum!«
    »Du nimmst ihn auch noch in Schutz? Nachdem er dich abserviert hat?«
    »Ja, stimmt schon, aber jetzt ist er so ne Art Held«, sagte Ren. »Er hat geholfen, Amanda zu retten. Er wäre fast gestorben.«
    »Amanda«, sagte Croze. »Ich seh sie nirgends. Wo ist sie?«
    »Da drüben«, sagte Ren und zeigte auf die Gruppe Crakerfrauen, die sich um Amanda scharten, sie streichelten und beschnurrten. Sie ließen Ren in ihre Mitte.
    »Das ist Amanda?«, sagte Crozier. »Ach du Scheiße. Die sieht ja aus wie …«
    »Sag’s nicht«, sagte Ren und drückte Amanda an sich. »Morgen sieht sie bestimmt schon viel besser aus. Oder zumindest nächste Woche.« Amanda begann zu weinen.
    »Sie ist weg«, sagte Jimmy. »Weggeflogen. Organschweine.«
    »Krass«, sagte Crozier. »Das ist jetzt aber ganz schön schräg.«
    »Croze, alles ist ganz schön schräg«, sagte Ren.
    »Okay, ja, tut mir leid. Gleich ist Ablöse. Lass uns …«
    »Ich glaube, ich sollte jetzt Toby helfen«, sagte Ren. »Genau jetzt.«
    »Dann muss ich wohl auf dem Boden schlafen, wenn der Wichser da mein Bett okkupiert«, sagte Croze zu Manatee.
    »Werd bitte erwachsen«, sagte Ren.
    Eifersuchtsdramen, dachte Toby. Das hat uns gerade noch gefehlt.
    Sie trugen Jimmy in Crozes Nische und legten ihn aufs Bett. Toby bat zwei Crakerfrauen und Ren, mit den Taschenlampen aus der Küche auf ihn zu leuchten. Dann holte sie ihre Arzneien aus dem Regal, in dem sie alles verstaut hatte, bevor sie auf die Suche nach Amanda losgezogen war.
    Sie tat alles, was sie für Jimmy tun konnte: Sie wusch ihn und entfernte mit einem Schwamm den gröbsten Schmutz; sie trug Honig auf die oberflächlichen Wunden auf; und Pilzelixier auf die Entzündung. Anschließend flößte sie ihm Mohn und Weidenrinde gegen die Schmerzen ein und damit er schlafen konnte. Und die kleinen grauen Maden kamen auf seinen verletzten Fuß, um das infizierte Fleisch wegzuknabbern. Dem Geruch nach zu urteilen hätte sie mit den Maden keinen Moment länger warten dürfen.
    »Was ist das?«, fragte eine der beiden Crakerfrauen, die Hochgewachsene. »Warum setzt du Schneemensch-Jimmy diese kleinen Tierchen auf den Fuß? Essen sie ihn auf?«
    »Das kitzelt«, sagte Jimmy. Seine Augen waren halb geschlossen; der Mohn tat bereits seine Wirkung.
    »Oryx hat sie geschickt«, sagte Toby. Das schien eine gute Antwort zu sein, denn sie lächelten. »Es sind Maden«, fuhr sie fort. »Sie essen die Schmerzen.«
    »Wie schmecken die Schmerzen, o Toby?«
    »Sollen auch wir die Schmerzen essen?«
    »Wenn wir die Schmerzen essen, können wir Schneemensch-Jimmy helfen.«
    »Die Schmerzen riechen sehr schlecht. Schmecken sie denn gut?«
    Sie sollte Metaphern lieber vermeiden. »Nur den Maden schmecken die Schmerzen«, sagte sie. »Nein, ihr sollt die Schmerzen nicht essen.«
    »Wird er wieder gesund?«, fragte Ren besorgt. »Hat er Wundbrand?«
    »Ich hoffe nicht«, sagte Toby. Die beiden Crakerfrauen legten ihm die Hände auf und fingen an zu schnurren.
    »Sie fällt«, sagte Jimmy. »Schmetterling. Sie ist weg.«
    Ren beugte sich über ihn und strich ihm die Haare aus der Stirn. »Schlaf jetzt, Jimmy«, sagte sie. »Wir haben dich lieb.«

LEHMHAUS

Morgen
    Toby träumt, sie läge zu Hause in ihrem kleinen Bett. Neben ihr auf dem Kopfkissen sind ihr Stofflöwe und ihr großer struppiger Bär, der eine Melodie spielen kann. Ihr uraltes Sparschwein steht auf dem Schreibtisch, das Tablet, mit dem sie ihre Hausaufgaben macht, ihre Filzstifte und ihr Telefon mit der
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