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Die Gerechten

Die Gerechten

Titel: Die Gerechten
Autoren: Bourne
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den man die Titelseite umbaute.
    Weder der Redaktion noch der DCPI noch den anderen Reportern gegenüber erwähnte er, dass dies der erste Mordfall war, über den er je berichtet hatte. Beim Bergen Record waren Morde ziemlich selten gewesen, und man hatte sie nicht an Grünschnäbel wie ihn vergeudet. Das war sehr schade, denn es gab ein Detail, das ihm ins Auge gefallen war, das er aber sofort beiseite geschoben hatte. Die routinierten Reporter hatten überhaupt nichts bemerkt, nur Will. Dummerweise nahm er jedoch an, dass es reine Routine war.
    Was er nicht wusste: Es war alles andere als das.

3
    SAMSTAG, 0.30 UHR, MANHATTAN
    Er klickte auf den »Senden«-Button, schob seinen Stuhl in der Redaktion zurück und reckte sich. Es war halb ein Uhr nachts. Er sah sich um: Die meisten Schreibtische waren leer, nur in der Layout-Abteilung waren noch alle da – sie bauten die Seiten, schnitten aus und fügten ein, schrieben um und polierten das Endprodukt, das in ein paar Stunden auf den Frühstückstischen von Manhattan ausgebreitet werden würde.
    Er wanderte durch das Büro, leicht berauscht vom Hochgefühl nach der Abgabe, einer Mischung aus Adrenalin und Erleichterung, die kam, wenn eine Story fertig war. Sein Blick ging über die Tische der Kollegen im Flackerschein der Fernseher, auf denen CNN stummgeschaltet flimmerte.
    Es war ein Großraumbüro, aber ein System von Trennwänden ordnete die Schreibtische zu kleinen Viererzellen. Als Neuling hatte er seinen Tisch in der hinteren Ecke. Der Blick durch das nächste Fenster ging auf eine Backsteinmauer, die Rückwand eines Broadway-Theaters mit einem verblichenen Plakat für eins der am längsten laufenden Musicals in der Stadt. Mit ihm im Abteil saß Walton, der früher das Büro der Times in Delhi geleitet hatte, bevor er unter irgendeiner dunklen Wolke nach New York zurückgekehrt war. Will hatte noch nicht herausfinden können, welches Vergehen Walton begangen hatte. Auf seinem Schreibtisch lag ein einzelner gelber Notizblock, umgeben von säuberlich angeordneten Papierstapeln. Die Handschrift auf dem Block war so eng und winzig, dass man sie nur aus nächster Nähe würde entziffern können; Will vermutete, dass es eine Art Sicherheitsmaßnahme war, mit der Walton verhindern wollte, dass Neugierige einen Blick auf seine Arbeit warfen. Warum ein Mann, der wegen seiner Degradierung zur Lokalredaktion wohl kaum an Geschichten von nationaler Sicherheitsrelevanz arbeitete, solche Maßnahmen ergriff, hatte er noch nicht herausbekommen.
    Dan Schwarz’ Schreibtisch daneben war kurz vor dem Zusammenbrechen. Schwarz war investigativer Journalist; er hatte kaum Platz für seinen Stuhl, denn der Boden rings um den Tisch war vollgestellt mit Pappkartons. In seinen Papieren steckten andere Papiere, und sogar der Bildschirm seines Computers verschwand fast unter ungefähr einhundert gelben Post-it-Zetteln, die ringsherum am Rand klebten.
    Amy Woodsteins Tisch war weder analfixiert ordentlich wie Waltons, noch war er eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit wie Schwarz’. Er war einfach unordentlich, wie es sich für eine Frau gehörte, die eine Vielzahl von Deadlines einzuhalten hatte; ständig hastete sie davon, um ein Kindermädchen abzulösen, einen Babysitter hereinzulassen oder ein Kind aus dem Kindergarten zu holen. An ihrer Trennwand hingen keine Zeitungsausschnitte wie bei Schwarz und keine eleganten, aber vergilbten Postkarten wie bei Walton, sondern Bilder ihrer Familie. Ihre Kinder hatten Locken und ein breites Lächeln, das die Zähne blitzen ließ.
    Er kehrte zu seinem eigenen Tisch zurück. Bisher hatte er weder Zeit noch Mut gefunden, ihm seine persönliche Note zu geben. An der Trennwand hingen noch die Verlagsmitteilungen, die da gewesen waren, als er seine Stelle angetreten hatte. Er sah, dass das Licht an seinem Telefon blinkte. Eine Nachricht.
    Hi, Baby, Ich weiß, es ist spät, aber ich bin noch nicht müde. Ich hab ’ne gute Idee, also ruf mich an, wenn du fertig bist. Es ist jetzt kurz vor eins. Melde dich bald.
    Seine Stimmung besserte sich auf der Stelle. Er hatte damit gerechnet, sich nachher auf Zehenspitzen in die Wohnung schleichen und vor dem Schlafengehen noch ein Schälchen Crispies herunterschlingen zu müssen. Was mochte Beth vorhaben?
    Er rief sie an. »Wieso bist du noch wach?«
    »Keine Ahnung – der erste Mord meines Mannes vielleicht? Vielleicht ist es auch nur, was so alles läuft im Moment. Jedenfalls kann ich nicht schlafen.
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