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Die Fratze: Horror-Geschichte

Die Fratze: Horror-Geschichte

Titel: Die Fratze: Horror-Geschichte
Autoren: Christian Sidjani
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mehr.
    Ich lauschte.
    Eine lange Zeit geschah nichts. Florian hatte seine Augen nun ganz geschlossen und ich hatte ihn losgelassen und mich aufgerichtet. Leise schlich ich zur Treppe, bleib an ihrem Geländer stehen und schaute hinab. Körper auf den Stufen, im Flur vor der Haustür. Überall diese Lachen und diese undefinierbaren dunkelroten Massen, die im Dämmerlicht klebrig und feucht leuchteten. Dann ein Grunzen, nichts Menschliches, direkt unter mir, ein Kichern, ein weiteres gutturales Grunzen.
    Ich bemerkte erst, dass ich den Atem angehalten hatte, als es vorbei war.
    Der diese unsäglichen Laute ausgestoßen hatte stapfte, ja trampelte in mein Blickfeld, schritt zur Haustür und verschwand im Dunkel der Nacht. Mich hatte sie nicht bemerkt, die Gestalt im Michael Myers-Kostüm.
    „ Oh mein Gott“, flüsterte jemand. Als ich den Flur entlang schaute, sah ich Madlen, die sich die Hände vor den Mund hielt und würgte.
    „ Was ist...?“, sagte Sarah, die jetzt nackt aus dem Schlafzimmer kam.
    Sie war so weit von allem entfernt, dass sie nicht merkte, wie ihre bloßen Füße durch Blut schritten. Sie kotzte in eine Pfütze, dann fiel sie auf ihre Knie, hielt die Hände in Flüssigkeit und begoss sich damit.
    „Was ist das?! Verdammt nochmal, was ist das bloß?!“
    Sarah nahm sich nur wenige Wochen später das Leben, indem sie sich die Pulsadern aufschnitt. Ich erfuhr es von Martin, der durch den Streit mit meiner Schwester Glück gehabt hatte und entkommen war, bevor dieses Monster auf der Party wütete. Wir beide waren durch unser Verlangen nach Sex verschont worden. Seine Eltern wiesen Sarah in eine Klinik ein, sie war schon öfters dort gewesen. So kann ich heute behaupten, mit einer Verrückten gefickt zu haben. Verrückt, bevor Halloween 2001 überhaupt geschah.
    Madlen und ich verbrachten noch einige Jahre zusammen, aber es tat uns beiden nicht gut. Wenn ich sie ansah, dachte ich an ihr Haus, an die Leichen und Verletzten, die wir erblickten, als wir gemeinsam nach unten schritten. Hand in Hand gingen wir, um uns gegenseitig zu stützen, was uns aber nur kläglich gelang. Als Madlen vor drei Jahren plante, wieder eine Party zu machen, verließ ich sie.
    All das Blut, die Innereien, die abgetrennten Gliedmaßen, die zerfetzten Körper, das ganze Ausmaß des Grauens lässt mich heute kalt. Das in Rot tapezierte Haus kommt mir wie ein Szenario aus einem Horrorfilm vor. Unwirklich und surreal.
    Es ist allein Larissas Leiche, die mich bis heute verfolgt. Wie ich einen Teil von ihr in der Küche entdeckte, die Beine, an denen die Strumpfhose zerrissen war und der rechte Schuh fehlte, und wie ich einen anderen Teil von ihr im Wohnzimmer auf dem Tisch fand, den aufgerissenen Torso, aus dem ihre Därme hingen, die Organe eine breiige Masse. Und ich erinnere, wie ich diese Teile erst zusammen fügen konnte, als ich ihren Kopf vor dem Haus gefunden hatte, im Dreck vor der Wiese, angebissen, ein fehlendes Auge, der Unterkiefer abgerissen und die Zunge hing heraus wie eine nackte Schnecke auf der Suche nach ihrem Haus. Wer auch immer es getan hatte, er wurde nie gefasst.
    Wir riefen die Polizei nicht sofort. Dazu waren wir nicht in der Lage. Stattdessen versuchten wir, den Verletzten zu helfen und zu überblicken, wer überlebt hatte. Doch ich war bald angewidert von diesem Leid. In jener Nacht entdeckte ich eine Aggression in mir, die ich bisher nicht gekannt hatte und die mich noch heute erschreckt.
    Ich möchte nicht davon berichten, wie oft ich Madlen im Laufe unserer Beziehung geschlagen habe. Was ich aber endlich gestehen möchte, ist Folgendes: Auch ich habe auf dieser Party einen Menschen getötet.
    Ich ging zurück zu Florian, der noch so dalag wie vorhin. Er atmete schwach. Als ich mich zu ihm hinunter beugte, öffnete er seine Augen. In ihnen lag dieses Bitten und Flehen um Erlösung oder Hilfe, das ich meiner Schwester geben wollte. Florians Bauch war teilweise aufgerissen. Da war dieser Wunsch, auch er sollte in mehreren Teilen gefunden werden. Ich wollte nicht, dass er überlebte. Er hatte es nicht verdient. Das wurde mir bewusst. Florian musste sterben, weil meine Schwester schon tot war. Sein erbärmliches Leben durfte nicht weiter gehen.
    Ich legte ihm sachte meine Hände auf sein Gesicht, hielt ihm Nase und Mund zu und drückte meinen Körper an seinen, dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Viel Widerstand hatte ich nicht, Florian war zu schwach. Nur sein Kopf zuckte hin und her, aber meine
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