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Die Essenz der Lehre Buddhas

Die Essenz der Lehre Buddhas

Titel: Die Essenz der Lehre Buddhas
Autoren: Dalai Lama
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Extreme zu meiden. Wir selbst sind es ja, die unter allzu viel Wohlleben oder Askese leiden. Bauen wir also die Neigung zu solchen Extremen ab, das kann unser Leben nur glücklicher machen.
    Wenn man als Laie einer spirituellen Praxis nachgeht, so scheint mir, behält man seine Einbindung in die Gesellschaft am besten bei, während man zugleich ein spirituelles Leben führt. Es gibt sicher außergewöhnliche Menschen, die sich gänzlich und ausschließlich der tiefen Meditation widmen können, aber ich gehe lieber einen mittleren Weg, auf dem ich die Dinge des Geistes und meine weltlichen Pflichten im Gleichgewicht zu halten versuche.

    Schulung des Geistes
    Hauptanliegen der geistigen Schulung ist Bodhicitta, der Geist einer Selbstlosigkeit, die nach der vollen Erleuchtung eines Buddha strebt, um den Lebewesen auf die bestmögliche Weise nützen zu können. Es beginnt damit, dass wir uns vor Augen führen, wie wenig wir von der Bevorzugung unserer selbst haben und wie viel nützlicher unser Einsatz für das Wohlergehen anderer ist. Das geschieht durch analytische Meditation, bei der wir diese Gedanken über Monate oder Jahre in aller Ruhe betrachten und untersuchen, um schließlich zu erkennen, dass andere wichtiger sind als wir selbst.
    Bei dieser Praxis lernen wir auch, aus unseren Schwierigkeiten Chancen zu machen. Wir können nicht erwarten, dass sich alle Schwierigkeiten in unserem Leben zum Besseren wenden, doch wenn wir unsere Haltung gegenüber diesen Dingen ändern, werden wir sie nicht mehr als etwas sehen, wovor wir uns am liebsten verstecken würden, sondern als Gelegenheit, an uns zu arbeiten. Auf dieser Basis können wir dann problematischen Lebensumständen standhalten, die wir bis dahin vielleicht als unerträglich empfunden haben. Wenn jemand in der geistigen Schulung gute Fortschritte gemacht hat, erkennt er selbst in Umständen, die als hinderlich für die spirituelle Entwicklung angesehen werden, zum Beispiel in einer das Leben verkürzenden Erkrankung, einen Anstoß für seine innere Entwicklung. Einer, der diesen Weg
gegangen ist, hat einmal gesagt: »Ich werde unglücklich sein, wenn äußerlich alles zum Besten steht, und ich werde jubeln, wenn nicht – dann nämlich findet spirituelle Praxis statt.«
    Für die meisten von uns gilt, dass unser Bild von unserer spirituellen Praxis davon abhängt, wie gut die Dinge für uns laufen. Der große tibetische Meister Togmey Zangpo schrieb: »Wenn die Sonne scheint und der Bauch voll ist, haben wir diese Heiligkeit, doch sobald es Widrigkeiten gibt, ist keine Spur mehr vom wahrhaft Heiligen.« Solange alles gut läuft, sehen wir uns als Praktizierende, doch wenn sich Schwierigkeiten zeigen, scheint alle Tugend dahin. Dann streiten wir uns mit unseren Mitmenschen und beschimpfen sie womöglich sogar.
    Wer ernsthaft den spirituellen Weg geht, vor allem wenn er sich der geistigen Schulung unterzieht, vermag Missgeschicke für die spirituelle Praxis zu nutzen. Er lässt sich sogar lieber herabsetzen als loben. Bewunderung setzt uns der Gefahr des Stolzes aus, in dem wir unter uns Stehenden arrogant, über uns Stehenden mit Neid und Gleichgestellten in einer Haltung der Rivalität begegnen. Ohne ein aufgebauschtes Ich neigen wir weniger zu solchen Regungen.
    Haben wir Erfolg im Leben, sollten wir uns vor Selbstgefälligkeit hüten und uns lieber den Nutzen eines guten Verhaltens vor Augen führen – in dem festen Entschluss, es so oft wie möglich zu üben. Wer sich wirklich auf die Schulung des Geistes einlassen möchte, muss jedes nur
erdenkliche Vorkommnis geschickt so nutzen, dass sein Engagement für andere immer noch größer wird. Wenn sich auch nur ein Hauch von Überheblichkeit in uns regt, sollte der Gedanke an Bodhicitta ihn sofort wieder abflauen lassen. Und anstatt tragische Ereignisse als niederschmetternd zu empfinden, können wir sie nutzen, um unsere Praxis weiter zu vertiefen. Wir brauchen uns nur zu vergegenwärtigen, dass unzählige Wesen genauso oder noch mehr leiden. Shantideva brachte diese Haltung in seinem Leitfaden für das Leben eines Bodhisattwas in einem für mich besonders inspirierenden Vers zum Ausdruck:

    Solange Raum existiert,
solange Lebewesen vorhanden sind,
möchte ich auch bleiben,
um ihre Leiden zu vertreiben.

    Deshalb verstärkt die geistige Schulung unser Bodhicitta auf die wirksamste Art, sie formt unsere geistigen Vermögen, sie lehrt uns, die Schwierigkeiten der Welt zu schätzen und Nutzen aus dem zu ziehen,
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