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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4
Autoren: Émile Zola
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der Lauer bleiben zu können, brach er auf.
    Als er am Abend heimkam, hatte er ein regelrechtes Neugierfieber.
    »Und der Abbé?« fragte er, noch ehe er seinen Hut abgenommen hatte.
    Marthe arbeitete an ihrem gewohnten Platz auf der Terrasse.
    »Der Abbé?« wiederholte sie mit einiger Überraschung. »Ach ja, der Abbé … Ich habe ihn nicht gesehen, ich glaube, er hat sich eingerichtet. Rose hat mir gesagt, daß Möbel gebracht worden sind.«
    »Da haben wir, was ich befürchtete«, rief Mouret. »Ich hätte dasein wollen; denn schließlich sind die Möbel meine Sicherheit … Ich wußte genau, daß du dich nicht von deinem Stuhl wegrühren würdest. Du bist nicht ganz bei Trost, meine Gute … Rose! Rose!« Und als die Köchin da war: »Für die Leute vom zweiten Stock sind Möbel gebracht worden?«
    »Ja, mein Herr, auf einem Wägelchen. Ich habe das Wägelchen von Bergasse, dem Trödler, erkannt. Ich sage Ihnen, schwer beladen war˜s nicht. Madame Faujas ging hinterher. Bei der Steigung in der Rue Balande hat sie dem Mann, der hinten schob, sogar ein bißchen geholfen.«
    »Haben Sie die Möbel wenigstens gesehen, haben Sie sie gezählt?«
    »Gewiß, Herr Mouret; ich hatte mich an die Tür gestellt. Sie haben alles an mir vorbeigetragen, was selbst Madame Faujas kein Vergnügen gemacht zu haben schien. Warten Sie … Zuerst hat man ein eisernes Bett hinaufgebracht, dann eine Kommode, zwei Tische, vier Stühle … Meiner Treu, das ist alles … Und keine neuen Möbel. Ich würde dafür keine dreißig Taler geben.«
    »Aber Sie hätten meiner Frau Bescheid sagen müssen; unter solchen Bedingungen können wir nicht vermieten … Ich werde mich auf der Stelle mit Abbé Bourrette aussprechen.«
    Er ärgerte sich und wollte hinausgehen; da gelang es Marthe, ihn plötzlich aufzuhalten, indem sie sagte:
    »Hör doch, ich vergaß … Sie haben sechs Monate im voraus bezahlt.«
    »Ach! Sie haben bezahlt?« stammelte er in fast verärgertem Ton.
    »Ja, die alte Dame ist heruntergekommen und hat mir das hier überreicht.« Sie kramte in ihrem Nähtisch und gab ihrem Gatten fünfundsiebzig Francs in Hundertsousstücken, die sorgfältig in ein Stück Zeitung eingewickelt waren.
    Mouret zählte das Geld und murmelte dabei:
    »Wenn sie zahlen, können sie tun, was sie wollen … Einerlei, das sind komische Leute. Es kann nicht jeder reich sein, das stimmt; nur ist das kein Grund, sich auf solche Art und Weise ein verdächtiges Benehmen zuzulegen, wenn man kein Geld bat.«
    »Ich wollte dir auch sagen«, begann Marthe wieder, als sie sah, daß er beruhigt war, »die alte Dame hat mich gefragt, ob wir geneigt seien, ihr das Gurtbett zu überlassen; ich habe ihr geantwortet, daß wir es nicht brauchen, daß sie es behalten könne, solange sie wolle.«
    »Das hast du gut gemacht, man muß sie sich verpflichten … Ich habe es dir gesagt, es ärgert mich an diesen verteufelten Pfarrern, daß man nie weiß, was sie denken noch was sie tun. Abgesehen hiervon, gibt es unter ihnen oft sehr ehrenwerte Menschen.«
    Das Geld schien ihn getröstet zu haben. Er scherzte, quälte Serge mit dem Bericht der »Missionen in China«, den dieser gerade las. Während des Essens tat er so, als kümmere er sich nicht mehr um die Leute vom zweiten Stock. Als aber Octave erzählt hatte, er habe Abbé Faujas aus der bischöflichen Residenz kommen sehen, konnte sich Mouret nicht mehr halten. Beim Nachtisch nahm er das Gespräch vom Vorabend wieder auf. Dann schämte er sich irgendwie. Unter der Unbeholfenheit eines Kaufmanns im Ruhestand hatte er einen klugen Geist; vor allem hatte er einen gesunden Menschenverstand, eine Geradheit des Urteils, die ihn inmitten der Provinzklatschereien meistens das rechte Wort finden ließ.
    »Alles in allem«, sagte er beim Schlafengehen, »ist es nicht gut, seine Nase in die Angelegenheiten anderer zu stecken … Der Abbé kann machen, was ihm gefällt. Es ist langweilig, immer von diesen Leuten zu reden; ich wasche mir nun die Hände in Unschuld.«
    Acht Tage vergingen. Mouret hatte seine gewohnten Beschäftigungen wieder aufgenommen; er strich im Haus herum, stritt mit den Kindern, verbrachte seine Nachmittage außerhalb, um zum Vergnügen Geschäfte abzuschließen, von denen er nie sprach, aß und schlief wie ein Mann, für den das Dasein ein sanfter Abhang ist, auf dem es keinerlei Erschütterungen und Überraschungen gibt. Die Wohnung schien wieder tot. Marthe saß an ihrem gewohnten Platz auf der Terrasse an
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