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Die Erfinder Des Todes

Die Erfinder Des Todes

Titel: Die Erfinder Des Todes
Autoren: Val McDermid
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Oberschenkelmuskulatur spürte. Nach der letzten Kletterstrecke war sie ans Nordende von Stanage Edge gekommen, hatte sich, bevor sie an den flachen Sandsteinplatten entlang weiterging, außer Atem gegen den Felsen gelehnt und einen großen Schluck aus ihrer Wasserflasche genommen. Die Verbindung zu ihrer Vergangenheit hatte ihr mehr Halt gegeben als alles, was sie sonst kannte. Und der Wind im Rücken versetzte sie in Hochstimmung und befreite ihre Gedanken von der ärgerlichen Gereiztheit, mit der sie am Morgen aufgewacht war. Ihr war gleich klar gewesen, dass sie, wenn sie sich nicht damit abfinden wollte, dass ihre Schultern bis zum Abend völlig verkrampften und der Schmerz sich in Wellen über den Hals bis zum Kopf ausbreitete, an diesem Tag aus London herausmusste.
    Der einzige Termin in ihrem Kalender war ein Gespräch mit einem ihrer Doktoranden, und das hatte sich leicht mit einem Anruf vom Zug aus regeln lassen. Hier oben auf den Mooren konnte sie kein Schmierfink der Boulevardpresse finden, kein Kameramann würde sein Objektiv auf sie richten und sie fragen, was die allwissende »Candid« Cameron über die Ereignisse vor Gericht zu sagen hatte. Sie konnte natürlich nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass sich ihre Erwartungen erfüllen würden.
    Aber gestern Abend hatte sie in den Nachrichten gehört, dass der sensationelle Prozess gegen den Mörder von Hampstead Heath wegen juristischer Formalitäten nach dem zweiten Verhandlungstag immer noch nicht in Gang gekommen war, und ihr Gefühl sagte ihr, dass die Pressemeute am Ende des heutigen Tages nach Blut schreien würde. Und sie war die perfekte Waffe, um der Polizei eine Wunde beizubringen. Aus verschiedenen Gründen war es besser, die Finger davon zu lassen.
    Während ihrer Zusammenarbeit mit der Polizei hatte sie sich nie um die Aufmerksamkeit der Presse bemüht, aber diese war ihr trotzdem hartnäckig auf den Fersen geblieben. Fiona hasste es fast so sehr, wie ihre Kollegen sich darüber ärgerten, wenn ihr Gesicht in den Zeitungen groß herausgebracht wurde. Noch schlimmer als der Verlust an Intimsphäre war es, dass ihr Bekanntheitsgrad ihrem Ruf als Wissenschaftlerin eher geschadet hatte. Wenn sie heute in Fachzeitschriften veröffentlichte und Beiträge zu Büchern schrieb, wusste sie, dass ihre Arbeit skeptischer als früher betrachtet wurde, einfach weil sie ihre Fähigkeiten und ihr Fachwissen auf eine Weise praktisch angewandt hatte, über die die Puristen die Nase rümpften.
    Die stillschweigende Ablehnung hatte sich noch verstärkt, als ein Boulevardblatt aufgedeckt hatte, dass sie mit Kit Martin zusammenlebte. Man konnte sich aus der Sicht des Universitäts-Establishments für eine ernst zu nehmende Psychologin, die die Polizei bei der Ergreifung von Wiederholungstätern wissenschaftlich unterstützte, kaum einen ungeeigneteren Partner vorstellen als gerade den bekanntesten Verfasser von Thrillern über Serienkiller im Land. Wäre das, was ihre Kollegen von ihr dachten, Fiona wichtig genug gewesen, hätte sie ihnen vielleicht erklärt, dass sie nicht Kits Romane liebte, sondern den Mann, der sie schrieb, und dass sie zu Beginn ihrer Beziehung gerade wegen seines Berufs viel vorsichtiger gewesen war als sonst.
    Aber da niemand es gewagt hatte, sie direkt darauf anzusprechen, beschloss sie, nicht in diese Falle der Selbstrecht-fertigung zu tappen.
    Beim Gedanken an Kit verlor sich ihre schlechte Laune. Dass sie den einzigen Mann gefunden hatte, der es schaffte, sie vor ihrer Neigung zur Selbstbeobachtung und Verschlossenheit zu retten, war ein Segen, den sie immer wieder wie ein Wunder bestaunte. Die Allgemeinheit würde wohl seine charmante Tarnung als knallharter Typ, die er in der Öffentlichkeit hervor-kehrte, nie durchschauen, aber sie hatte hinter seiner rasiermesserscharfen Intelligenz so viel Großzügigkeit, Achtung und Einfühlungsvermögen entdeckt, wie sie es schon nicht mehr erhofft hatte. Durch die Beziehung zu Kit hatte sie endlich eine Art Frieden gefunden, der die Dämonen von Stanage Edge meistens von ihr fernhielt.
    Im Weitergehen sah sie auf die Uhr. Sie war gut vorwärts gekommen. Wenn sie dasselbe Tempo beibehielt, würde sie noch Zeit haben, um im Fox-Houses-Pub etwas zu trinken, bevor sie mit dem Bus nach Sheffield zurückkehren und dann den Zug nach London nehmen würde. Sie hatte fünf Stunden an der frischen Luft genossen, fünf Stunden, in denen sie kaum einem anderen menschlichen Wesen begegnet war, und das
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