Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Titel: Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
Autoren: Charles Darwin
Vom Netzwerk:
Verlaufe solcher allmählichen Abänderungen die geringen und blosse Varietäten einer Art bezeichnenden Verschiedenheiten sich zu größeren, die Spezies einer nämlichen Gattung charakterisierenden Verschiedenheiten steigern. Neue und verbesserte Varietäten werden die älteren weniger vervollkommneten und intermediären Abarten unvermeidlich ersetzen und vertilgen, und hierdurch werden die Arten großenteils zu scharf umschriebenen, und wohl unterschiedenen Objecten. Herrschende Arten aus den größeren Gruppen einer jeden Klasse streben wieder neue und herrschende Formen zu erzeugen, so dass jede große Gruppe geneigt ist noch größer und divergenter im Charakter zu werden. Da jedoch nicht alle Gruppen in dieser Weise beständig an Größe zunehmen können, indem zuletzt die Welt sie nicht mehr zu fassen vermöchte, so verdrängen die herrschenderen die minder herrschenden. Dieses Streben der großen Gruppen an Umfang zu wachsen und im Charakter auseinander zu laufen, in Verbindung mit der meist unvermeidlichen Folge starken Erlöschens anderer, erklärt die Anordnung aller Lebensformen in Gruppen, die innerhalb einiger wenigen großen Klassen anderen subordinirt sind; eine Anordnung, die zu allen Zeiten gegolten hat. Diese große Tatsache der Gruppirung aller organischen Wesen in ein sogenanntes natürliches System ist nach der gewöhnlichen Schöpfungstheorie ganz unerklärlich.
    Da natürliche Zuchtwahl nur durch Häufung kleiner aufeinanderfolgender günstiger Abänderungen wirkt, so kann sie keine großen und plötzlichen Umgestaltungen bewirken; sie kann nur mit sehr langsamen und kurzen Schritten vorgehen. Daher denn auch der Canon »Natura non facit saltum«, welcher sich mit jeder neuen Erweiterung unserer Kenntnisse mehr bestätigt, aus dieser Theorie einfach begreiflich wird. Wir können ferner begreifen, warum in der ganzen Natur derselbe allgemeine Zweck durch eine fast endlose Verschiedenheit der Mittel erreicht wird; denn jede einmal erlangte Eigentümlichkeit wird lange Zeit hindurch vererbt, und bereits in mancher Weise verschieden gewordene Bildungen müssen demselben allgemeinen Zwecke angepasst werden. Kurz wir sehen, warum die Natur so verschwenderisch mit Abänderungen und doch so geizig mit Neuerungen ist. Wie dies aber ein Naturgesetz sein könnte, wenn jede Art unabhängig erschaffen worden wäre, vermag Niemand zu erläutern.
    Aus dieser Theorie scheinen mir noch viele andere Tatsachen erklärbar. Wie befremdend wäre es, dass ein Vogel in Gestalt eines Spechtes geschaffen worden wäre, um Insekten am Boden aufzusuchen; dass eine Hochlandgans, welche niemals oder selten schwimmt, mit Schwimmfüßen, dass ein drosselartiger Vogel zum Tauchen und zum Leben von unter dem Wasser lebenden Insekten, und dass ein Sturmvogel geschaffen worden wäre mit einer Organisation, welche der Lebensweise eines Alks entspricht, und so in zahllosen andern Fällen. Aber nach der Ansicht, dass die Arten sich beständig der Individuenzahl nach zu vermehren streben, während die natürliche Zuchtwahl immer bereit ist, die langsam abändernden Nachkommen jeder Art einem jeden in der Natur noch nicht oder nur unvollkommen besetzten Platze anzupassen, hören diese Tatsachen auf befremdend zu sein und hätten sich sogar vielleicht voraussehen lassen.
    Wir können verstehen, woher es kömmt, dass ganz allgemein in der Natur eine solche Schönheit herrscht; denn dies kann in großem Maße der Tätigkeit der Zuchtwahl zugeschrieben werden. Daß nach unseren Ideen von Schönheit Ausnahmen vorkommen, wird Niemand bezweifeln, der einen Blick auf manche Giftschlangen, auf manche Fische, auf gewisse häßliche Fledermäuse mit einer verzerrten Ähnlichkeit mit einem menschlichen Antlitz wirft. Sexuelle Zuchtwahl hat den Männchen, zuweilen beiden Geschlechtern, bei vielen Vögeln, Schmetterlingen und anderen Tieren die brillantesten Farben und anderen Schmuck gegeben. Sie hat die Stimme vieler männlicher Vögel für ihre Weibchen sowohl als für unsere Ohren musikalisch wohlklingend gemacht. Blüten und Früchte sind durch prächtige Farben im Gegensatz zum grünen Laube abstechend gemacht worden, damit die Blüten von Insekten leicht gesehen, besucht und befruchtet, damit die Samen der Früchte von Vögeln ausgestreut würden. Woher es kommt, dass gewisse Farben, Klänge und Formen den Menschen und den niederen Tieren Vergnügen machen, – d. h. wie das Gefühl für Schönheit in seiner einfachsten Form zuerst erlangt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher