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Die Entfuehrung der Wochentage

Die Entfuehrung der Wochentage

Titel: Die Entfuehrung der Wochentage
Autoren: Lena Kleine
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der Boden war aus dem weichen Material, das jeden Laut schluckte und sie tiefer in das Nichts beförderte.
    Wie verheißungsvoll und paradiesisch kam ihr jetzt der Folterkeller vor, der hell und laut in ihrer Erinnerung verankert war.
    Die erste Zeit brachte sie mit schlafen herum, doch dann kam die quälende Einsamkeit.
    Ihr Gehirn gierte nach Reize n, die es verarbeiten wollte, aber sie konnte ihrem Geist nichts dergleichen bieten. Sie driftete in Erinnerungen ab, doch bald reichte auch diese Zufluchtsort nicht mehr aus.
    Sie kniff sich in ihre Oberschenkel, um wenigstens einen schalen Reiz zu haben. Doch bald war auch diese Stimulation nicht mehr ausreichend.
    Voller Verzweiflung sprang sie auf, drehte ihre stillen Runden in der kleinen Zelle, hüpfte auf einem Bein, balancierte auf den Zehnspitzen, schrie, schlug mit ihren Fäusten auf die weichen Wände ein und probierte, die verschlingende Dunkelheit zu bekämpfen. Doch es half nichts.
    Ihr Sehorgan verstand nicht, warum es trotz geöffneter Lider nichts erkennen konnte, ihr Verstand begann zu zweifeln, Halluzinationen machten sich breit.
    Nein, nein , dachte sie verbittert, sie würde nicht verrückt werden, so wie er es prophezeit hatte.
    Sie schleppte sich zur Toilette und drückte die Spülung, immer und immer wieder. Das Geräusch beruhigte ihre Nerven, doch als sie die Taste erneute drückte, geschah nichts mehr. Irgendwer hatte das Wasser abgestellt. Ihr letzter Halt schwand.
    Sie kauerte sich auf den Boden zusammen, die Knie dicht an den Körper gezogen und wippte beruhigend hin und her.
    »Ich will hier raus«, brüllte sie, als sie die Dunkelheit zu verschlingen drohte. »Bitte.«
    Ihr Hals schmerzte vom Schreien, aber selbst ihr lautester Schrei verklang im Schaumstoff des Gefängnisses.
    Plötzlich hatte sie Panik. Was, wenn man sie hier drinnen vergessen hatte? Wie lange war sie denn nun schon in dem Kerker?
    Am vierten Tag würde man ihr Essen bringen. An diesen Satz klammerte sie sich fanatisch. Am diesem Tag würde etwas ihre Isolation durchbrechen.
    Aber war nicht schon eine Woche vergangen?
    »Bitte«, kreischte sie heiser. »Hol mich hier raus. Ich will in deiner Nähe sein! Für immer.«
    Sie meinte es so. Es lag keine Unwahrheit in ihren Worten. Sie log nicht, um ihre Situation zu beenden. In diesem Augenblick kam ihr die Anwesenheit des Herrn als Erlösung vor. Wenn er doch nur bei ihr wäre.
    »Bitte, bitte, bitte«, flehte sie, aber mit jedem Wort wurde ihre Stimme leiser, denn ihre Gebete blieben unerhört.
    Resignation überfiel ihren Leib und ihren Verstand. Sie rollte sich auf den Boden zusammen, wälzte sich herum, zog aus Frust an ihren blonden Haaren, kratzte sich die Haut blutig, weinte.
    »Bitte«, flüsterte sie so leise, dass sie selbst kaum ihre Stimme hören konnte.
    Apathisch lag sie auf dem Boden. Ihre Augen blickten in die Finsternis, sie hatte aufgehört gegen das Nichts zu kämpfen. Dumpf füllte es nun ihren Geist, lähmte ihren Kampfgeist und rang ihren Willen nieder. Sie hatte aufgegeben.
    »Sofia.« Sehr grelles Licht blendete ihre empfindlichen Augen.
    »Sofia«, kam es sanft, mitfühlend, zart.
    Tristan beugte sich über sie.
    Stumpf und regungslos verfolgte sie, wie er sich zu ihr kniete.
    »Du bist eine Halluzination«, raunte sie und drehte ihren Kopf weg. Sie hatte den jungen Sklaven jetzt schon etliche Male in ihrem Gefängnis auftauchen sehen und jedes Mal war er im Nichts verschwommen, wenn sie freudig nach seinen starken Armen gegriffen hatte.
    »Ich bin es wirklich«, murmelte der Diener und seine Augen wurden noch eine Spur fürsorglicher. »Ich hol dich hier raus. Komm steh auf, wir müssen uns beeilen.«
    Sie gehorchte nicht, sondern wandte ihren Kopf ab. »Tom van Darkson hat es verboten.«
    »Bitte, Sofia, jetzt komm, die Zeit rennt mir davon, Tom und Samir sind verreist, wenn du entkommen willst, musst du dich endlich bewegen!«
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie stritt tatsächlich mit einer Illusion. »Ich darf dich nicht mehr sehen.«
    Ein verdrießliches Seufzen drang an ihre Ohren. Dann glitten Hände unter ihren Rücken und sie verlor den Kontakt zum Boden. Erschrocken blinzelte sie die Gestalt an, die sie für eine Vision gehalten hatte.
    »Tristan?« Ihr Verstand arbeitete durch den Reizentzug langsam.
    Er lächelte, als die Erkenntnis ihren wunden Geist übermannte. »Tristan!« Sein Name kam schluchzend über ihre Lippen. Sie klammerte sich panisch an ihm fest und ihre Finger
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