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Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Titel: Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
Autoren: Brenda Vantrease
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Tasche seines Lederwamses, in der sich das griechische Neue Testament befand. Bei seiner Rückkehr würde er ebenfalls ein Neues Testament bei sich haben, verfasst jedoch in englischer Sprache.
    Die Geister von Smithfield und ihre Warnungen hatte William inzwischen völlig vergessen.

1

    März 1528
    Verzweifle nicht, o Leser, noch lass dich davon entmutigen, dass es dir bei Androhung von Strafe für Leib und Leben verboten ist … das Evangelium zu lesen; … denn wenn Gott auf unserer Seite steht, was macht es dann schon aus, wer gegen uns ist, sei es Bischof, Kardinal oder Papst …
    William Tyndale,
»Der Gehorsam eines Christenmenschen«, 1528.
    E in lauter Schrei drang aus Goughs Druckerei und Buchgeschäft und hallte die Paternoster Row entlang. In dem mit einem Köder versehenen gläsernen Krug saß eine hässliche, bösartig dreinblickende Ratte, die mit aller Macht versuchte, ihrem Gefängnis zu entrinnen. Da kein männliches Wesen in Sicht war, das ihr hätte helfen können, schloss Kate Gough die Augen, holte tief Luft, packte den Schürhaken und ließ ihn mit solcher Wucht herabsausen, dass sie beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Der Krug zersprang in tausend Stücke. Etwas Graues huschte davon und verschwand hinter einem großen Kodex, der auf dem untersten Boden des Bücherregals lag.
    Verdammt! Das war nun der Lohn für all ihre Mühe und ihre Angst: ein Klecks Fett, ein Haufen Asche und jede Menge Glasscherben auf dem Boden. Wenn man einmal einen Mann braucht, ist keiner da, dachte Kate, auch wenn es in ihrem Leben außer ihrem Bruder John, der sich gerade auf die Reise zur Buchmesse in Frankfurt gemacht hatte, keinen anderen Mann gab. Ihre beiden Freier, der abscheuliche Sohn eines Gewürzhändlers und ein diebischer Handwerksgeselle, hatten sich auf der Stelle aus dem Staub gemacht, als sie erfahren hatten, dass sie keine Mitgift in die Ehe mitbringen würde und dass das Buchgeschäft allein ihrem Bruder gehörte.
    »Widerliche, böse Kreaturen«, murmelte Kate, aber nur leise, denn schließlich konnte sie niemand hören.
    Auch wenn sie einem dieser dreisten Räuber nicht Auge in Auge gegenübergestanden hätte, so gab es doch genügend Beweise für deren Anwesenheit: beschädigte Ecken von ledernen Einbänden, angenagte Seiten, ekelhafte schwarze Kügelchen auf den Kiefernbrettern des Bücherregals. Sie warf den Schürhaken auf den Boden. Sein Klappern übertönte das Quietschen der Tür. Als sie sich jedoch bückte, um die größten Scherben des fettigen Glases aufzusammeln, spürte sie den kalten Luftzug, der hereinströmte.
    »Seht Euch schon einmal um«, rief sie über die Schulter gewandt. »Ich bin gleich fertig.«
    Sie nahm den Besen, der neben dem Kamin stand, und fegte die Splitter zu einem Haufen zusammen. »Mir ist ein Krug heruntergefallen, und ich will nicht, dass jemand in die Scherben tritt«, rief sie.
    »Bitte, es ist dringend.« Es war die Stimme einer Frau.
    Kate wurde langsam ungehalten. Wie konnte der Kauf eines Buches etwas derart Dringendes sein?
    »Schließt bitte die Tür, es wird kalt hier drin. Ich brauche nur noch eine Minute«, wiederholte sie und versuchte dabei, ihre Stimme nicht allzu scharf klingen zu lassen.
    »Bitte. Ich kann nicht länger warten. Passt einfach nur auf mein Baby auf. Ich komme bald wieder. Versprochen.« Die Stimme der Frau war leise und atemlos, so als wäre sie gerannt.
    Baby? Hatte sie gesagt, dass sie ein Baby hierlassen würde?
    Kate wirbelte herum und sah gerade noch aus den Augenwinkeln, wie wieder etwas Graues – diesmal war es jedoch wesentlich größer und trug einen Rock – zur Tür hinausschoss.
    »Wartet! Ich …« Aber die Frau war mindestens genauso flink wie die Ratte. »Wartet – kommt zurück!«, rief Kate der Gestalt in Rock und Umschlagtuch nach, als diese bereits um die Ecke verschwand, hinter der sich der Hof von St. Paul befand.
    »Bei allen Heiligen«, murmelte sie vor sich hin. Die Ratte, die Glasscherben und selbst den Besen in ihrer Hand vergessend, starrte sie ungläubig das Bündel an, das vor ihr auf dem Boden lag. In den Windeln bewegte sich etwas. Wie konnte diese Frau es nur wagen! Wie anmaßend, leichtsinnig und dumm, ihr Kind bei einer Fremden zurückzulassen! Kate hatte keine Ahnung, wie man sich um einen Säugling kümmerte. Der einzige Mensch, den sie je versorgt hatte, war ihre sterbenskranke Mutter gewesen, und auch das war ihr nicht besonders gut gelungen, wie sie selbst zugeben musste.
    Was war,
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