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Die Eiskrone

Die Eiskrone

Titel: Die Eiskrone
Autoren: Andre Norton
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daran. Da sie eine Nachtbrille trug, fand sie sich ebenso gut zurecht wie bei Tag, und schließlich wich das Unbehagen sogar einem seltsamen Freiheitsgefühl.
    In der vierten Nacht kletterte sie über einen Hügelrücken. Ihr Detektor hing an einem Riemen über ihrer Schulter, denn sie brauchte beide Hände zum Klettern. Ein paar Stunden früher hatte es geregnet, und Büsche, Bäume und Gras waren noch tropfnaß.
    Einmal war sie auf dem regennassen Boden ausgerutscht und hatte dabei einen Pfad entdeckt. Es war ein im tiefen Grün fast verschwindender Hohlweg, der stellenweise dicht von Büschen überwuchert war, deren Zweige ein Dach bildeten. Sie konnte nicht feststellen, ob der Hohlweg natürlich gewachsen war, oder ob man ihn so angelegt und getarnt hatte, daß er von oben her nicht zu erkennen war. Sie fand viele Hufspuren, woraus sie schloß, daß dieser Pfad häufig benutzt wurde. An einem dickeren Ast hatte sie sich wieder in die Höhe gezogen, um ihren eigenen Weg fortzusetzen.
    Der Kamm des Hügels lag im rechten Winkel zu diesem Pfad und ein gutes Stück höher. Sie kroch gebückt weiter, damit sie vor dem mondhellen Himmel nicht zu erkennen war.
    Die Nachtbrille hatte sie gegen eine Telebrille vertauscht, denn sie wollte ihre Umgebung so genau wie möglich erkennen. Sie hatte nämlich eine Ansammlung kleiner Häuser von der Größe eines Dorfes entdeckt.
    Das größte dieser Häuser lag nun direkt unter ihr. Es bestand aus zwei viereckigen Türmen, die etwa fünf Stockwerke hoch sein mochten. Verbunden waren diese beiden Türme mit einem Gebäude, das wahrscheinlich nur einen Raum breit, aber mindestens drei Stockwerke hoch war. Die Türme und das Dach des Verbindungsbaues hatten Zinnen wie die Burgen des europäischen Zeitalters, das man ›Mittelalter‹ nannte. In zwei oder drei der sehr schmalen Fenster war ein schwacher Lichtschimmer zu erkennen. Der ihr am nächsten liegende Turm hatte ein Tor, das in einen Garten führte, und dieser Garten reichte bis zum Fuß des Hügels, auf dem sie stand.
    Im Garten waren kunstvoll angelegte Blumenbeete und weißschimmernde Wege zu erkennen. Dort arbeiteten sechs Männer. Je zwei stellten hohe Pfosten mit merkwürdigen Figuren auf. Jede dieser Figuren hatte an einem Vorderfuß einen Schild mit merkwürdigen Zeichen darauf, und der andere Vorderfuß – es konnte auch eine Klaue sein – hielt ein Fähnchen.
    Diese Pfosten wurden gegenüber vom Turm aufgestellt. Die Gestalten stellten irgendwelche Tiere dar; ein paar davon konnten Vögel sein, aber eine sah humanoid aus und schien eine Krone zu tragen. Roane hätte selbstverständlich gerne gewußt, was sie versinnbildlichten.
    Sie machte sich vor allem auch darüber Gedanken, weshalb diese Figuren ausgerechnet nachts aufgestellt werden mußten. Sie schaute zu, bis die Manne auf einer gepflasterten Straße zum Haupttor in der Mauer gingen. Außerhalb dieser Festungsmauer gab es zwei Reihen Häuser, die aus den gleichen Steinen erbaut zu sein schienen wie die Festung selbst, aber sie waren nur zwei Stockwerke hoch. Die Steildächer schienen auch aus Steinplatten zu bestehen, und die Giebel waren mit geschnitzten Tierköpfen verziert.
    Es war so etwas wie ein Bergfried oder ein kleines Dorf. Sie kannte sogar dessen Namen, wenn es auch anders aussah als auf den Stereofilmen. Es war Hitherhow, das königliche Jagdhaus von Reveny.
    Hatte die Aufstellung der Figuren zu bedeuten, daß der König erwartet wurde? Das Lager war durch die Deformer geschützt, aber wenn sehr viele Jäger unterwegs waren, mußten sie sich verstecken, bis die Jagd vorüber war.

 
2
     
    Onkel Offlas ging unruhig hin und her. »Was haben sie bei der Schulung gesagt? Wer könnte da kommen? Der König vielleicht?«
    »König Niklas ist nach planetaren Begriffen ein alter Mann. Ob er noch jagen würde?«
    »Ich frage dich. Du hast die Stereofilme gesehen, die von den Robotspähern aufgenommen wurden.«
    »Man wußte selbst nichts Bestimmtes. Wenn es nicht der König ist… Seine Kinder sind alle tot. Er hat nur eine Enkelin, die Prinzessin Ludorica.«
    Sandar lachte. »Ein komischer Name!«
    »Schweig! Eine Prinzessin? Und wer noch?« fragte Onkel Offlas.
    »Spielt das denn eine Rolle?« Sandar ließ sich höchst ungern zurechtweisen.
    »Das spielt eine sehr große Rolle«, sagte sein Vater. »Der Rang des Jägers läßt doch auf den Umfang einer Gefolgschaft schließen.«
    Sandar wurde rot. Wenn Onkel Offlas seinen eigenen Sohn zurechtwies,
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