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Die Corleones

Die Corleones

Titel: Die Corleones
Autoren: Mario Edward; Puzo Falco
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gewesen. Sie hatten etwas getanzt und noch mehr getrunken, dann hatte er beschlossen, nach Hause zu gehen, als ihn ein Freund vonCork an der Tür angesprochen und ihm erzählt hatte, wo Tom sich herumtrieb. Fast hätte er dem Typen eine geknallt, bevor er sich wieder unter Kontrolle hatte und ihm stattdessen einen Fünfer zusteckte. Dafür hatte er eine Adresse bekommen, und jetzt hockte er in einem verbeulten Laster, der so aussah, als stammte er von vor dem Krieg, und beobachtete die Schatten, die über Kelly O’Rourkes Vorhänge spielten.
    In dem Apartment zog Tom sich gerade an, während Kelly im Zimmer auf und ab ging, ein Betttuch um sich gehüllt. Das Laken entblößte eine ihrer Brüste und schleifte über den Boden. Sie war ein schamloses Mädchen mit einem aufsehenerregend schönen Gesicht – makellose weiße Haut, rote Lippen und blaugrüne Augen, die von hellroten Locken eingerahmt wurden –, und die Art und Weise, wie sie sich bewegte, hatte etwas Theatralisches, als spielte sie in einem Film mit und stellte sich vor, Tom sei Cary Grant oder Randolph Scott.
    »Aber warum musst du denn gehen?«, fragte sie noch einmal. Mit der freien Hand hielt sie sich die Stirn, als hätte sie Fieber. »Es ist mitten in der Nacht, Tom. Warum willst du da ein Mädchen alleine lassen?«
    Tom schlüpfte in sein Unterhemd. Das Bett, in dem er gerade noch gelegen hatte, war eher eine Liege denn ein Bett, und darum herum waren auf dem Boden überall Zeitschriften verstreut, hauptsächlich die
Saturday Evening Post
,
Grand Magazine
und
American Girl
. Zu seinen Füßen blickte Gloria Swanson verführerisch vom Titelbild einer alten Ausgabe von
The New Movie
zu ihm hoch. »Puppe«, sagte er.
    »Hör auf, mich ›Puppe‹ zu nennen«, fauchte sie. »Alle nennen mich ›Puppe‹.« Sie lehnte sich neben dem Fenster an die Wand, ließ das Laken fallen und warf sich für ihn in Pose, wobei sie einen Arm in die Hüfte stemmte. »Warum willst du nicht bei mir bleiben, Tom? Du bist doch ein Mann, oder?«
    Tom zog sein Hemd an, und während er es zuknöpfte, hielt er den Blick auf Kelly gerichtet. Ihre Augen waren sorgenvoll geweitet, als rechnete sie jeden Moment damit, dass etwas Überraschendesgeschehen würde. »Gut möglich, dass du das schönste Mädchen bist, das ich kenne.«
    »Du warst noch nie mit jemand zusammen, der hübscher war als ich?«
    »Nein«, sagte Tom. »Bestimmt nicht.«
    Die Bangigkeit wich aus ihrem Blick. »Bleib die Nacht über bei mir, Tom. Bitte geh nicht.«
    Tom setzte sich auf die Bettkante, dachte kurz darüber nach und zog dann die Schuhe an.
    Draußen beobachtete Sonny, wie sich das Licht von einem schmiedeeisernen Laternenpfahl in den parallelen Linien der Schienen spiegelte, die in der Mitte der Straße verliefen. Seine Hand ruhte auf der schwarzen Billardkugel, die auf den Schaltknüppel des Lastwagens geschraubt war, und er erinnerte sich daran, wie er als Kind auf dem Bordstein saß und den Güterzügen zuschaute, die die Eleventh Avenue entlangrumpelten. Ihnen war stets ein Polizist vorausgeritten, damit keine Betrunkenen und keine kleinen Kinder unter die Räder gerieten. Einmal hatte er einen Mann in einem schicken Anzug auf einem der Güterwaggons stehen sehen. Er hatte ihm gewinkt, und der Mann hatte ein böses Gesicht gemacht und ausgespuckt. Als er seine Mutter gefragt hatte, warum der Mann so böse gewesen war, hatte sie die Hand gehoben und gesagt: »
Sta’zitt’!
Irgendein
cafon’
spuckt auf die Straße, und du fragst mich?
Madon’!
« Sie hatte ihn verärgert stehen lassen, was ihre typische Reaktion auf seine kindlichen Fragen gewesen war. In der Wohnung war er ein Störenfried, eine Nervensäge oder ein
scucc’
, also verbrachte er die meiste Zeit draußen und trieb sich mit den Nachbarskindern herum.
    Hier in Hell’s Kitchen zu sein, über die Straße zu den Ladenzeilen mit den zwei oder drei Stockwerken mit Wohnungen darüber zu blicken, weckte Erinnerungen an seine Kindheit, an all die Jahre, in denen sein Vater jeden Morgen aufgestanden und runter in die Hester Street gefahren war, wo sich in einem Lagerhaus sein Büro befand, in dem er auch heute noch arbeitete. Allerdings hatte sich inzwischen, seit Sonny erwachsen war, vieles verändert – erdachte anders über seinen Vater und über das, womit dieser seinen Lebensunterhalt verdiente. Damals war sein Vater ein ehrbarer Geschäftsmann gewesen, dem zusammen mit Genco Abbandando die Firma Genco Pura Olive Oil gehörte.
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