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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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in Paris wieder eingelebt hatte, besonders als jene Februarrevolution ausbrach, die zeit seines Lebens seine Phantasie fesselte. Die Moskauer Dame jedoch starb, und Mitja wurde von einer ihrer verheirateten Töchter übernommen. Später scheint er nochmals, zum vierten Male, sein Nest gewechselt zu haben, doch will ich mich darüber nicht weiter auslassen, zumal von diesem Erstgeborenen Fjodor Pawlowitschs noch viel zu erzählen sein wird. Ich beschränke mich jetzt auf die notwendigsten Nachrichten über ihn, ohne die ich diesen Roman nicht beginnen kann.
    Erstens, dieser Dmitri Fjodorowitsch war von den drei Söhnen Fjodor Pawlowitschs der einzige, der in der Überzeugung aufwuchs, er besitze einiges Vermögen und werde nach erreichter Volljährigkeit unabhängig dastehen. Seine Knaben- und Jünglingsjahre verliefen ungeordnet; ohne das Gymnasium beendet zu haben, kam er auf eine Militärschule, wurde dann in den Kaukasus verschlagen, zum Offizier befördert, duellierte sich, wurde degradiert, diente sich wieder empor, führte ein lockeres Leben und verbrauchte verhältnismäßig viel Geld. Und da er von Fjodor Pawlowitsch vor seiner Mündigkeit keins bekam, machte er bis dahin Schulden. Seinen Vater lernte er erst kennen, als er sofort nach Erreichen der Mündigkeit in unsere Stadt kam, um sich mit ihm über sein Vermögen zu einigen. Sein Erzeuger schien ihm damals nicht sonderlich gefallen zu haben; er blieb nicht lange und reiste so bald wie möglich wieder ab, nachdem er etwas Geld erhalten und eine Art Vertrag über die weiteren Einkünfte aus dem Gut mit ihm geschlossen hatte; über dessen Rentabilität und Wert erhielt er jedoch von Fjodor Pawlowitsch keine Auskunft – eine bemerkenswerte Tatsache. Fjodor Pawlowitsch merkte damals sofort – auch das sei festgehalten –, daß Mitja sich von seinem Vermögen eine übertriebene, unrichtige Vorstellung machte. Fjodor Pawlowitsch war damit sehr zufrieden; er hatte seine Pläne. Er sah, daß der junge Mann leichtsinnig, hitzig, leidenschaftlich, ungeduldig und verschwenderisch war. ›Ich brauche ihm‹, sagte er sich, ›nur von Zeit zu Zeit etwas zukommen zu lassen, dann wird er sich sofort beruhigen, wenn auch selbstverständlich nur für eine Weile.‹ Diese Tatsache begann Fjodor Pawlowitsch auszunutzen: Er speiste ihn von Zeit zu Zeit mit kleinen Gaben ab, und das Ende vom Lied war, nach vier Jahren, als Mitja, ungeduldig geworden, zum zweitenmal im Städtchen erschien, um seine Angelegenheiten mit dem Vater nunmehr endgültig zu ordnen, erfuhr er plötzlich zu seinem größten Erstaunen, daß er bereits nichts mehr besaß, daß sogar eine ordentliche Abrechnung schwierig war, daß er durch die Geldzahlungen nach und nach den ganzen Wert seines Besitztums von Fjodor Pawlowitsch erhalten und womöglich gar schon Schulden gemacht hätte und daß er nach den und den Abmachungen, die dann und dann auf seinen eigenen Wunsch getroffen worden waren, zu keinen weiteren Forderungen berechtigt wäre, und so weiter. Der junge Mann war bestürzt; er vermutete Unrecht und Betrug, geriet außer sich und verlor beinahe den Verstand. Und eben dieser Umstand führte zu der Katastrophe, die der Gegenstand meines ersten, einleitenden Romanes ist oder, richtiger, sein äußerer Rahmen. Bevor ich aber zu diesem Roman komme, muß ich noch von den anderen beiden Söhnen Fjodor Pawlowitschs, Mitjas Brüdern, berichten und etwas zu ihrer Herkunft sagen.
3. Die zweite Ehe und die Kinder daraus
    Bald nachdem Fjodor Pawlowitsch den vierjährigen Mitja losgeworden war, heiratete er zum zweitenmal, und diese zweite Ehe dauerte ungefähr acht Jahre. Er holte sich seine zweite, ebenfalls sehr junge Frau, Sofja Iwanowna, aus einem anderen Gouvernement, wohin er mit einem Juden wegen eines kleinen Liefergeschäfts gefahren war. Obgleich Fjodor Pawlowitsch ein Trinker und Wüstling war, beschäftigte er sich nämlich ununterbrochen mit der vorteilhaften Anlage seines Kapitals und brachte seine Geschäftchen immer glücklich, wenn auch fast immer auf betrügerische Weise, zu Ende. Sofja Iwanowna, Tochter eines Diakons, war seit ihrer Kindheit Waise; aufgewachsen war sie im Hause ihrer Wohltäterin, Erzieherin und Peinigerin, einer angesehenen reichen, alten Dame, der Witwe des Generals Worochow. Näheres weiß ich nicht; ich habe nur gehört, daß man die sanfte, gutmütige, fügsame Pflegetochter einmal aus einer Schlinge befreite, die sie an einem Nagel in der Rumpelkammer befestigt
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