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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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empfindest und durch dieses stete Gefühl künftig deine Wiedergeburt beförderst – vielleicht mehr, als wenn du ›dorthin‹ gehen würdest. Denn dort wirst du das Leben nicht ertragen können und wirst murren und vielleicht schließlich geradeheraus sagen: ›Ich bin mit allem quitt.‹ Hierin hat der Rechtsanwalt die Wahrheit gesagt. Solche Lasten sind nicht für alle Menschen, für manche sind sie zu schwer ... Das sind meine Gedanken – falls du sie brauchen kannst. Wenn für deine Flucht andere zur Verantwortung gezogen würden, Offiziere oder Soldaten, so würde ich dir ›nicht erlauben‹ zu fliehen«, sagte Aljoscha lächelnd. »Aber es wird gesagt und versichert, und dieser Etappenkommandant hat es selbst zu Iwan gesagt, daß die Sache wohl ohne schärfere Strafe abgehen wird und die Betreffenden mit einem leichten Verweis davonkommen, sofern man es geschickt anstellt. Zwar ist es unehrenhaft, jemand zu bestechen, sogar in diesem Fall; aber mir steht es nicht zu, dies zu verurteilen. Denn sollten mich zum Beispiel Iwan und Katja beauftragen, in dieser Angelegenheit für dich tätig zu sein, so würde ich es selbst ohne weiteres mit Bestechung versuchen – das muß ich dir wahrheitsgemäß sagen. Und deshalb kann ich nicht Richter über deine eigene Handlungsweise sein. Du sollst jedoch wissen, daß ich dich niemals verurteilen werde. Es wäre ja auch seltsam: Wie könnte ich in dieser Sache dein Richter sein? Nun, jetzt habe ich alles dargelegt, glaube ich.«
    »Aber dafür verurteile ich mich selbst!« rief Mitja aus. »Ich werde fliehen – dazu war ich auch schon ohne deinen Rat entschlossen! Kann ein Mitja Karamasow etwa anders handeln? Aber dafür verurteile ich mich selbst und werde lebenslänglich Gott bitten, mir meine Sünde zu vergeben! So reden ja wohl die Juristen, nicht wahr? So wie du und ich jetzt, ja?«
    »So ist es«, erwiderte Aljoscha, leise lächelnd.
    »Ich liebe dich, weil du immer die volle Wahrheit sagst und nichts verheimlichst!« rief Mitja, fröhlich lachend. »Also da habe ich meinen Aljoscha als Jesuiten ertappt! Abküssen müßte man dich dafür, abküssen! Na, dann höre jetzt auch das übrige, ich will auch die andere Hälfte meiner Seele vor dir aufdecken. Was ich mir ausgedacht und beschlossen habe, ist dies: Wenn ich nun fliehe, sogar mit Geld und mit einem Paß, und sogar nach Amerika, so ermutigt mich dazu noch der Gedanke, daß ich nicht in ein frohes, glückliches Leben fliehe, sondern in Wirklichkeit zu einer anderen Strafe, die vielleicht nicht geringer ist als die vorgesehene! Nicht geringer, Alexej, ich rede im Ernst, nicht geringer! Ich hasse dieses Amerika schon jetzt, hol's der Teufel! Und wenn auch Gruscha bei mir ist – schau sie doch an: Na, ist sie etwa eine Amerikanerin? Sie ist eine Russin, Russin mit Leib und Seele! Sie wird sich nach der heimatlichen Erde zurücksehnen, und ich werde in jeder Stunde sehen, daß sie meinetwegen leidet, meinetwegen dieses Kreuz auf sich genommen hat, denn sie selbst trägt ja keine Schuld. Und ich, werde ich die Kerle dort ertragen können, wenn sie auch vielleicht alle besser sind als ich? Ich hasse dieses Amerika schon jetzt! Und mögen sie da auch vorzügliche Techniker oder sonst etwas sein – hol' sie der Teufel, sie sind keine Menschen von meiner Art, sie haben andere Seelen! Ich liebe Rußland, Alexej, ich liebe den russischen Gott, wenn ich auch selbst ein Schuft bin! Ich werde da krepieren!« rief er, und seine Augen funkelten und seine Stimme zitterte von unterdrückten Tränen.
    »Also dann höre, was ich beschlossen habe, Alexej!« begann er von neuem, nachdem er seiner Erregung Herr geworden war. »Sobald ich mit Gruscha dort angekommen bin, fangen wir gleich an zu pflügen und zu arbeiten, bei den wilden Bären, in der Einsamkeit, irgendwo ganz weit weg. Es wird sich ja auch dort ein ganz entlegener Ort finden lassen! Dort gibt es, wie man sagt, noch Rothäute, irgendwo am Rand des Horizonts. Na, also an diesen Rand werden wir ziehen, zu den letzten Mohikanern. Na, und dann machen wir uns sofort an die Grammatik, ich und Gruscha. Arbeit und Grammatik, und das drei Jahre lang! In diesen drei Jahren lernen wir die englische Sprache so, daß wir sie ebensogut können wie jeder beliebige Engländer. Und sobald wir sie gelernt haben – Schluß mit Amerika! Wir kommen schleunigst wieder hierher nach Rußland – aber als amerikanische Bürger. Sei unbesorgt, hier in diesem Städtchen werden wir uns nicht
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