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"Die Bombe is' eh im Koffer"

"Die Bombe is' eh im Koffer"

Titel: "Die Bombe is' eh im Koffer"
Autoren: A Lucchesi
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ungerecht behandelt. Da muss ein Irrtum vorliegen, denkt er. Und dann verlangt er das, was alle Deutschen verlangen, wenn man sie ungerecht behandelt:
    » Ich will Ihren Vorgesetzten sprechen.«
    Der Deutsche glaubt an den Vorgesetzten. Nicht an den eigenen, das ist klar. In der eigenen Firma bezweifelt der Deutsche die Qualitäten des Vorgesetzten genauso wie jeder andere auch. Aber der Deutsche glaubt an den Vorgesetzten der anderen: Der wird alles Unrecht geraderücken. Und im Übrigen, denkt er, wäre es nur recht und billig, dass nach einer Beleidigung der Vorgesetzte zur Entschuldigung anrückt.
    Nun ist der Einsatzleiter bei der Luftsicherheit jemand, der am Tag etwas über drei Euro brutto mehr verdient als die anderen Luftsicherheitsassistenten und der deshalb nicht wie sie eine blaue Krawatte trägt, sondern eine rote. Das weiß der Deutsche aber nicht. Der Deutsche denkt, es kommt mit der roten Krawatte ein besonders qualifizierter Mitarbeiter zu ihm. Sozusagen der Max Planck der Gepäckkontrolle. Das freut den Deutschen. Der Einsatzleiter mit der roten Krawatte wird ihm sagen, dass alles in Ordnung ist, dass das leider sein muss und er die Unannehmlichkeiten entschuldigen möge. Und dann ist der Deutsche plötzlich lammfromm und einsichtig. Weil er wieder versöhnt ist. Die Rechnung in seinem Kopf geht dabei ungefähr so:
    Erst hat dieser Knallkopf ihm gesagt, dass er aussieht wie ein Terrorist.
    Das war ungerecht.
    Dann ist der Chef vom Knallkopf persönlich gekommen.
    Und dann haben alle schon an der Anwesenheit vom Chef vom Knallkopf gesehen, dass der Deutsche nicht aussieht wie ein Terrorist und dass da ein Irrtum passiert sein muss.
    Gesagt hat ihm das keiner. Aber der Deutsche denkt sich das so, der formt sich die Wirklichkeit so zurecht. Ist wahr. Es gibt eine Geschichte, die das sogar noch deutlicher macht. Ich habe mal einen deutschen Geschäftsmann gesondet. Ende fünfzig, gut sitzender Anzug, eine ordentliche Erscheinung, der natürlich nicht aussah wie ein Terrorist, aber die ganze Untersuchung mehr oder weniger reibungslos hinter sich brachte.
    » Dass das jedes Mal nötig ist…«
    » Jaja«, habe ich gesagt und weitergesondet.
    Dann ging er zum Nachschautisch, um seine Tasche in Empfang zu nehmen. Und ich winkte den Nächsten heran. Einen Mann zwischen dreißig und vierzig. Er war auffällig tätowiert, an den Armen, am Hals, trug Leder, sagen wir: Er hätte sich gut gemacht als das lange vermisste siebte Bandmitglied von » Rammstein«. Und wie ich den Herrn Rammstein so auf- und absondete, erkannte ich den Geschäftsmann am Nachschautisch nicht wieder.
    Er sah zu uns herüber, fassungslos vor Wut.
    » Ja– so geht das aber nicht!«
    Er lief knallrot an und stand definitiv kurz vorm Explodieren.
    » Das darf ja wohl nicht wahr sein!«
    Was ihn so fuchste, war, dass er mit ansehen musste, wie ich Herrn Rammstein untersuchte. Und dass er daraus messerscharf folgern musste, dass ich den tätowierten Rocker genauso behandelte wie ihn. Dabei war er, der Geschäftsmann, davon ausgegangen, er hätte eine Sonderbehandlung bekommen, die Sonderbehandlung, die ihm zustand. Und zwar warum?
    Richtig: Weil er nicht aussah wie ein Terrorist.
    Und das kommt öfter vor. Hier schließt sich auch der Kreis mit der Frage nach meinem Militärdienst.
    » Haben Sie gedient?«
    » Selbstverständlich. Unteroffizier.«
    Der Rentner ist sofort beruhigt, weil er sich denkt: » Alle anderen, die aussehen wie Verbrecher, die kriegen das Kanonenfutter aus dem Schützengraben, aber für mich haben sie einen Unteroffizier abgestellt. Weil ich nicht wie ein Terrorist aussehe.«
    Und mit diesem Wissen dreht sich der Herr Rentner zu seiner Frau Rentnerin um und strahlt sie an.
    » Siehst du, Elli«, sagen seine Augen, » ein Unteroffizier!«
    Man kann sich dann schon vorstellen, wie sie nach ihrer Reise ihren Freunden erzählen: » Ja, das ist schon manchmal unangenehm an der Kontrolle, aber das ist dafür auch extrem geschultes Personal. Die sehen mit einem Blick, wen sie da vor sich haben– den Hilmar hat sogar ein Oberst untersucht.«
    Und ich muss gestehen, gelegentlich darüber nachgedacht zu haben, ob auf die Frage » Haben Sie gedient?« nicht die Antwort besser wäre:
    » Selbstverständlich. Brigadegeneral.«
    Aber das klingt schon etwas dick aufgetragen, wenn man das zum Besten gibt, während man auf Knien vor dem Passagier herumrutscht und ihm mit der Handkante die Hoden checkt.
    So ist der Deutsche, und das
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