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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel
Autoren: Günter Grass
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sind dieselben Metzger, die Wörterbücher und Därme mit Sprache und Wurst füllen, es gibt keinen Paulus, der Mann hieß Saulus und war ein Saulus und erzählte als Saulus den Leuten aus Korinth etwas von ungeheuer preiswerten Würsten, die er Glaube, Hoffnung und Liebe nannte, als leicht verdaulich pries, die er heute noch, in immer wechselnder Saulusgestalt an den Mann bringt.
    Mir aber nahmen sie den Spielzeughändler, wollten mit ihm das Spielzeug aus der Welt bringen.
    Es war einmal ein Musiker, der hieß Meyn und konnte ganz wunderschön Trompete blasen.
    Es war einmal ein Spielzeughändler, der hieß Markus und verkaufte weißrotgelackte Blechtrommeln.
    Es war einmal ein Musiker, der hieß Meyn und hatte vier Katzen, deren eine Bismarck hieß.
    Es war einmal ein Blechtrommler, der hieß Oskar und war auf den Spielzeughändler angewiesen.
    Es war einmal ein Musiker, der hieß Meyn und erschlug seine vier Katzen mit dem Feuerhaken.
    Es war einmal ein Uhrmacher, der hieß Laubschad und war Mitglied im Tierschutzverein.
    Es war einmal ein Blechtrommler, der hieß Oskar, und sie nahmen ihm seinen Spielzeughändler.
    Es war einmal ein Spielzeughändler, der hieß Markus und nahm mit sich alles Spielzeug aus dieser Welt.
    Es war einmal ein Musiker, der hieß Meyn, und wenn er nicht gestorben ist, lebt er heute noch und bläst wieder wunderschön Trompete.

ZWEITES BUCH
SCHROTT
    Besuchstag: Maria brachte mir eine neue Trommel. Als sie mir mit dem Blech zugleich die Quittung der Spielzeugwarenhandlung übers Bettgitter reichen wollte, winkte ich ab, drückte auf die Klingel am Kopfende des Bettes, bis Bruno, mein Pfleger, eintrat, das tat, was er immer zu tun pflegt, wenn Maria mir eine neue, in blauem Papier verpackte Blechtrommel bringt. Er löste die Verschnürung des Paketes, ließ das Packpapier auseinanderfallen, um es nach dem fast feierlichen Herausheben der Trommel sorgfältig zu falten. Dann erst schritt Bruno — und wenn ich schritt sage, meine ich Schreiten — zum Waschbecken schritt er mit dem neuen Blech, ließ warmes Wasser fließen und löste vorsichtig, ohne am weißen und roten Lack kratzen zu müssen, das Preisschildchen vom Trommelrand. Als Maria nach kurzem, nicht allzu anstrengendem Besuch gehen wollte, nahm sie das alte Blech, das ich während der Beschreibung des Truczinskischen Rückens, der hölzernen Galionsfigur und der vielleicht etwas zu eigenwilligen Auslegung des ersten Korintherbriefes zerschlagen hätte, mit sich, um es in unserem Keller all den verbrauchten Blechen, die mir zu teils beruflichen, teils privaten Zwecken gedient hatten, nahe zu legen.
    Bevor Maria ging, sagte sie: »Na, viel Platz is nich mehr im Keller. Ich mecht mal bloß wissen, wo ich die Winterkartoffeln lagern soll.«
    Lächelnd überhörte ich den Vorwurf der aus Maria sprechenden Hausfrau und bat sie, die ausgediente Trommel ordnungsgemäß mit schwarzer Tinte zu numerieren und die von mir auf einem Zettel notierten Daten und kurzgehaltenen Angaben über den Lebenslauf des Bleches in jenes Diarium zu übertragen, das schon seit Jahren an der Innenseite der Kellertür hängt und über meine Trommeln vom Jahre neunundvierzig an Bescheid weiß.
    Maria nickte ergeben und verabschiedete sich mit einem Kuß von mir. Mein Ordnungssinn bleibt ihr weiterhin kaum begreiflich, auch etwas unheimlich. Oskar kann Marias Bedenken gut verstehen, weiß er doch selbst nicht, warum ihn eine derartige Pedanterie zum Sammler zerschlagener Blechtrommeln macht. Zudem ist es nach wie vor sein Wunsch, jenen Schrotthaufen im Kartoffelkeller der Bilker Wohnung nie wieder sehen zu müssen. Weiß er doch aus 'Erfahrung, daß Kinder die Sammlungen ihrer Väter mißachten, daß also sein Sohn Kurt auf all die unglückseligen Trommeln eines Tages, da er das Erbe antreten wird, bestenfalls pfeifen wird.
    Was also läßt mich alle drei Wochen Maria gegenüber Wünsche äußern, die, wenn sie regelmäßig befolgt werden, eines Tages unseren Lagerkeller füllen, den Winterkartoffeln den Platz nehmen werden?
    Die selten, ja immer seltener aufblitzende fixe Idee, es könnte sich eines Tages ein Museum für meine invaliden Instrumente interessieren, kam mir erst, als schon mehrere Dutzend Bleche im Keller lagen.
    Hier also kann nicht der Ursprung meiner Sammelleidenschaft liegen. Vielmehr, und je genauer ich darüber nachdenke, um so wahrscheinlicher liegt der Begründung dieses Sammelsuriums der simple Komplex zugrunde: eines Tages könnten die
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