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Die Augen der Toten 01 - Die Augen der Toten Teil 1

Die Augen der Toten 01 - Die Augen der Toten Teil 1

Titel: Die Augen der Toten 01 - Die Augen der Toten Teil 1
Autoren: André Lütke-Bohmert
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Bürokratenarsch geantwortet hat? Ich solle die Finger von den harten Drogen lassen, sonst würde es mit mir genauso enden. Ist das zu fassen, Alter? Der hat die Sache sofort zu den Akten gelegt.“
    Es fiel mir immer noch schwer, Rensing einzuschätzen zu können. Eigentlich fand ich ihn ganz okay - ein westfälischer Sturkopp halt. Und doch hatte er in einigen Situationen Charakterzüge gezeigt, aus denen ich einfach nicht schlau wurde. Warum hatte er mir wegen Franks Selbstmord ein schlechtes Gewissen einreden wollen? Wieso hatte er Beekmann und Lohoff die Videoaufnahme gezeigt, mir aber nicht?
    Kevin schien meine Gedanken erraten zu haben. „An deiner Stelle würde ich keine allzu großen Hoffnungen in diesen Typen stecken“, sagte er. „Wenn du mich fragst, ist das ein Paragraphenreiter, wie er im Buche steht.“
    „Nein, Kevin, das ist mir zu einfach. Sieh das Ganze doch mal aus seiner Perspektive. Eine Bruderschaft in Münster? Ich bitte dich, würdest du das ernst nehmen? Es gibt schon genug Spinner und Hysteriker, die sich von solchem Schwachsinn verrückt machen lassen. Dass Rensing da eine gesunde Skepsis an den Tag legt, spricht doch wohl eher für ihn.“
    „Hast du mich gerade einen Spinner und Hysteriker genannt?“ Kevin grinste. „Okay, Philiboy, wenn man das so sieht, hast du vielleicht recht. Aber es kann doch nicht sein, dass diese Schweine einfach so davonkommen.“
    „Nein“, stimmte ich zu. „Dafür werden wir schon sorgen.“
     
    Als Kevin gegen acht gegangen war, stopfte ich die Aluschalen in den Müllsack, nahm eine Flasche Pinkus aus dem Kühlschrank und setzte mich an den Schreibtisch, wo ich mir noch mal in Ruhe die Homepage und Franks Schnellhefter vornahm. Dabei brach ich sogar das eherne Gesetz, dass in Franks Zimmer Rauchverbot herrschte.
    Zwei Dinge schienen mir bemerkenswert. Erstens: Konnte es wirklich Zufall sein, dass sowohl im Fall Pape als auch im Fall Micky Radebrecht Drogen eine nicht gerade unwichtige Rolle gespielt hatten – oder war ich hier tatsächlich auf ein Bindeglied zwischen Frank, Pape und Deus Ex Machina gestoßen? Zweitens: In Franks Mappe war vom Amt des Großmeisters die Rede, das seit der Gründung des Ordens nie neu besetzt worden war. Mit anderen Worten: seit über vierzig Jahren wurden die Geschicke der Bruderschaft von ein und derselben Person gelenkt. Zwar tauchte in diesem Zusammenhang nirgends ein Name auf, und doch fügten sich die spärlichen Hinweise, die der Text enthielt, vor meinem geistigen Auge zum Bild eines Mannes zusammen, der mir nur allzu bekannt war.
    Ich ließ den Verschluss der Bierflasche aufschnappen, lehnte mich im Schreibtischstuhl zurück und legte die Füße hoch. Starrte gedankenverloren auf den Monitor, bis ich mich schließlich wieder vorbeugte und mit dem Mauszeiger im Startmenü auf „Dokumente“ fuhr. Nach den Namen der angezeigten Dateien zu schließen, bezogen sich alle auf Franks Dissertation.
    Alle bis auf eine.

Doppelte Schleifen
     
    Es war einmal ein kleiner Junge, der lebte glücklich und zufrieden in einer schönen Stadt. Er hatte viele Freunde. Mit denen spielte er in den Schulferien den ganzen Tag. Am liebsten spielte er Räuber und Gendarm. Rechts vom Bahndamm gegen links vom Bahndamm. Die Kinder in seiner Mannschaft waren immer froh, dass er auf ihrer Seite der Schienen wohnte, weil er so schnell rennen konnte und viel mehr Puste hatte als die anderen Jungen. Dafür waren die aber größer und stärker. Manchmal, wenn sie wieder verloren hatten, wollten die Jungs vom rechten Bahndamm ihn verhauen. Für die war er ein kleiner Streber. Immer nannten sie ihn „Schlaumeier“, bloß, weil er schnell lernte, sich für die Natur interessierte und seine Nase ständig in Bücher steckte. In seinen Träumen sah er sich als Huckleberry Finn im Mississippi schwimmen. Als Peter Pan durch die Lüfte fliegen. Er träumte von der Nautilus und der Pequod. Von Phileas Fogg, John Silver und dem Gespenst von Canterville. Wenn die Jungs vom rechten Bahndamm wieder mal böse auf ihn waren, rannte er immer so schnell er konnte nach Hause. Einmal konnte er nicht schnell genug rennen, weil ein Schnürsenkel an seinem linken Turnschuh aufgegangen war, und da holten sie ihn ein. Sie boxten ihm in den Magen und drückten sein Gesicht in den Matsch. Grölend zeigten sie mit den Fingern auf ihn und nannten ihn ein Mädchen. An dem Tag wurde seine Mama böse, weil er so dreckig nach Hause kam. Aber als er ihr erzählte, was die
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