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Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus

Titel: Die Abrechnung: Ein Neonazi steigt aus
Autoren: Ingo Hasselbach , Winfried Bonengel
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Goodyear, ein staubiges Kaff westlich von Phoenix. Als ich zu ihr fuhr, sah ich schon von weitem die Anlage in fahles Flutlicht getaucht. Arizona State Prison, Ortsteil Perryville. Debbie ist so etwas wie ein exotisches Tier im Wildpark Arizona. Sie ist nicht nur die einzige Gefangene im Todestrakt von Perryville, sie ist überhaupt die einzige Frau in Arizona, die derzeit auf ihre Hinrichtung wartet. Die zweite in der Geschichte des Landes. Ein prominentes Prestigeobjekt des früheren Generalstaatsanwalts Grant Woods - und, wenn man der einzigen Tageszeitung in Arizona, der Arizona Republic, glauben darf, das schlimmste Monster im ganzen Land: eine »kaltblütige Kindsmörderin«, die die »Hinrichtung« ihres vierjährigen Sohnes Christopher in Auftrag gegeben haben soll - für lumpige 5 000 Dollar aus einer Versicherungsprämie! So jemanden will man in Arizona an der Giftspritze hängen sehen.
    Kindsmord ist in Arizona keine Seltenheit. Fast monatlich berichten die Medien über irgendeine wildgewordene »Valley woman«, die ihr Kind tötete und zerstückelte. Keine davon landete je in der Todeszelle. Doch das ist eine andere Geschichte.
    Debbie Milkes Geschichte ist ein Leben im Teufelskreis aus Liebe, Enttäuschung, Haß und Drogen. Dabei hatte es harmonisch begonnen, als »Frollein-Wunder« im GI-Bezirk Zehlendorf. Debbies deutsche Mutter Renate hatte sich in den Amerikaner Richard »Sam« Sadeik verliebt. Beide heirateten, bekamen eine Tochter. Eine besatzerbehütete Kindheit in Berlin: Debbie erinnert sich in Gefängnisbriefen an die Großeltern in Tempelhof, an das Waldgebiet rund um die Krumme Lanke, an Ku’damm-Bummel und Zoo-Besuche. Wenn sie irgendwann überhaupt noch einmal ein menschliches Leben führen dürfe, schreibt sie, dann möge es doch »bitte!« in Berlin sein.
    Doch dann wurde Sam Sadeik in die USA zurückberufen, nach Phoenix in Arizona. Die Eltern arbeiteten auf der Luke Airforce Base, beim Bodenpersonal. Die Basis lag in Goodyear, direkt hinter dem Perryville-Gefängnis. Renate betreute deutsche Starfighter-Piloten, die hier zu Ausbildungszwecken stationiert waren.
    Heute kämpft Renate Janka für die Wiederaufnahme des Verfahrens für ihre Tochter Debbie. Sie schreibt Briefe, instruiert Anwälte, bereitet Interviews vor und hält die weltweite Unterstützergemeinde via Internet auf dem laufenden. Zwischendurch ruft der Spiegel an oder das ZDF, amnesty international oder ein Spendenkomitee. Vielleicht ist es das schlechte Gewissen der Mutter, die ihre Tochter vor Jahren allein zurückließ, das Renate Janka antreibt, den beinahe aussichtslosen Kampf gegen den Justizapparat Arizonas aufzunehmen.
    Es ist der 2. Dezember 1989. Ein Mann steht in einer Shopping Mall und versucht der Polizei zu erklären, daß er gerade einen kleinen Jungen verloren hat: Christopher Milke, vier Jahre alt, gekleidet in Jeans und gelbes Sweatshirt, mit einem grünen Triceratops darauf. James Styers heißt der Mann. Er erklärt, daß er mit einem Freund und dem Jungen zum Einkaufszentrum gefahren sei, um Fotos mit Santa Claus zu machen. Der Junge war aufgeregt, wollte dem Weihnachtsmann die Hand geben, und plötzlich war er verschwunden.
    Doch etwas macht die Beamten stutzig. Zeit-und Ortsangaben differieren, Styers wirkt unkonzentriert und gehetzt. Und so nimmt die Polizei ihn ins Verhör und, etwas später, seinen Begleiter Roger Scott. Der vernehmende Detective ist cm gewisser Armando Saldate, ein Polizist mit brutalem Auftreten und bulligem Gesicht. Ein ehrgeiziger Hispano-Amerikaner, der kurz vor der Pensionierung steht und noch einmal einen spektakulären Fall wittert.
    Der drogenabhängige Roger Scott ist der erste, der nach zwölfstündiger Vernehmung zusammenbricht. Er gesteht, daß er und Styers mit dem kleinen Christopher statt zu »Santa« in die Wüste gefahren seien, in die 99. Straße, nördlich der Happy Valley Road. Hier laufen keine Weihnachtsmänner Reklame, hier sind die Klapperschlangen zu Hause. Was folgte, war eine regelrechte Exekution. Scott sagt aus, daß Styers mit dem Kind in ein ausgetrocknetes Flußbett gegangen sei. Wenig spater hörte er drei Schüsse. Danach kam Styers wieder und sagte: »Der kleine Bastard wird mir nicht mehr auf die Nerven gehen.« Und noch etwas teilt Scott dem Detective in wirren Worten mit. Zur Tat habe sie Debbie Milke, die Mitbewohnerin von Styers, angestiftet. Dann führt er die Polizisten an die bezeichnete Stelle in der Wüste, wo man den kleinen Jungen in
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