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Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen

Titel: Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen
Autoren: Thilo Sarrazin
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gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die einerseits Mentalitäten prägen, andererseits aber auch deren Folge und Ausdruck sind. Aus diesen Gründen wird die Welt wohl auch in 50 oder 100 Jahren noch große regionale Entwicklungsunterschiede aufweisen. Auf der anderen Seite schwinden die komparativen Vorteile allmählich, die die traditionellen Industriestaaten infolge ihrer besseren Kapitalausstattung, besserer Bildung und höheren Technisierungsgrads hatten.
    Die Gesellschaft ist sich selbst Objekt und kann durch die Rahmenbedingungen, die sie sich selbst setzt, ihre Gestalt verändern. Wäre dies nicht so, dann wären alle menschlichen Gesellschaften wie die verschiedenen Schimpansenstämme im Urwald immer noch auf demselben Entwicklungsniveau, nämlich dem des afrikanischen Buschs. Alle Untersuchungen zeigen, dass Volkswirtschaften, Gesellschaften und Staaten umso erfolgreicher sind, je fleißiger, gebildeter, unternehmerischer und intelligenter eine Bevölkerung ist. Deutschland stand auf der Erfolgsleiter immer ziemlich weit oben. Zahlreiche Indikatoren lassen aber vermuten, dass es nach unten geht. Ob das so ist, wie sich das äußert, ob und wie man gegensteuern kann und soll, davon handelt dieses Buch.

2 Ein Blick in die Zukunft
    Realitäten und Wunschvorstellungen
    Es reden und träumen die Menschen viel
Von bessern künftigen Tagen,
Nach einem glücklichen goldenen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen,
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung!
    FRIEDRICH SCHILLER, Hoffnung
     
    Dank der menschlichen Erfindungskraft ist der Umfang des Verteilbaren im Laufe der Zeit immer größer geworden. Die Zahl der Menschen wuchs, aber noch schneller wuchs im Durchschnitt der letzten beiden Jahrhunderte das verteilbare Sozialprodukt. Dieses Wachstum stößt inzwischen an Grenzen.
    Sofern ein Land keine Bodenschätze mehr erschließen kann oder maßgeblich von Transfers anderer Länder profitiert, ergeben sich seine Produktionsmöglichkeiten aus dem angesammelten Kapitalstock, aus Zahl und Qualität seiner Erwerbsbevölkerung und aus dem künftigen Produktivitätsfortschritt. Für uns heißt das: Wenn in Deutschland kontinuierlich investiert wird, dann stellt der deutsche Kapitalstock auch künftig keinen Engpass für die Wirtschaftsentwicklung dar. Hinsichtlich Quantität und Qualität der Erwerbstätigen muss man sich schon eher Sorgen machen. Die Quantität ergibt sich aus der demografischen Entwicklung, der Zuwanderung und der Erwerbsbeteilung der Bevölkerung, die Qualität aus deren Sozialisation, dem Bildungsgrad, dem Altersaufbau und - falls es Zuwanderung gibt - aus der Sozialisation und dem Bildunsgrad der Zugewanderten. Hier sind ganz unterschiedliche Entwicklungspfade denkbar, doch es besteht keinen Grund, Trendbrüche in der Geburten- und darauf aufbauend in der Bevölkerungsentwicklung zu unterstellen, solange nichts Außergewöhnliches geschieht.

    Die den folgenden Betrachtungen zugrunde gelegte Modellrechnung beruht auf der Annahme einer durchschnittlichen Geburtenziffer von 1,4 und eines jährlichen Wanderungssaldos (das ist die Differenz aus Zu- und Abwanderungen) von rund 50 000 Menschen. Was den Zuwachs der Produktivität pro Arbeitsstunde betrifft, so ist dieser in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich weniger geworden. Hier wird angenommen, dass sich der Produktivitätszuwachs bei einem Prozent pro Jahr einpendelt. Erstellt man auf dieser Grundlage eine Projektion bis zum Jahr 2050, so ergibt sich Folgendes:
    • Das Wirtschaftswachstum läuft um das Jahr 2020 aus und stagniert danach mit Tendenz zur Schrumpfung, weil sich der Zuwachs der Produktivität und die Abnahme der Zahl der Erwerbstätigen gegenseitig kompensieren (Anhang Tabelle D).
    • Relativ zur Zahl der Erwerbstätigen wird sich die Zahl der Menschen über 65 Jahre verdoppeln: Im Jahre 2005 kamen auf einen Erwerbstätigen 0,46 Menschen über 65 Jahre, 2050 wird auf einen Erwerbstätigen ein Mensch im Rentenalter kommen (Anhang Tabelle F).
    • Da die Bevölkerungszahl sinkt, steigt das Sozialprodukt pro Kopf weiterhin. Die Rentner können daran aber nur teilhaben, wenn der Anteil der rentenbezogenen Ausgaben am Sozialprodukt verdoppelt wird. Ein Einfrieren der realen Versorgung der Rentner auf heutigem Niveau würde bedeuten, dass der Anteil der rentenbezogenen Ausgaben am Volkseinkommen von heute 16,5 auf 25,6 Prozent im Jahre 2050 steigt (Anhang Tabelle F).
    Die Mehrbelastung aus der
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