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Der Wunschzettelzauber

Der Wunschzettelzauber

Titel: Der Wunschzettelzauber
Autoren: Muriel Zagha
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türkisfarbene heran. »Ich war so scharf auf ein flottes Schwätzchen unter Mädels. Ein netter kleiner Tratsch über Grazia hätte mich richtig aufgemuntert, das kann ich dir sagen. Aber diese verdammten Muttertiere kannten nur zwei Themen, bei denen sie sich gegenseitig übertrumpften: Stillen und das richtige Pressen bei den Wehen. Die waren richtig zum Fürchten, Chloe. Wie die Gedankenpolizei! Es war einfach grässlich. Die haben mich mit ihren Ponchos eingekreist – ich hab keine Luft mehr gekriegt, konnte gar nichts mehr sehen! Dann haben sie mir die Leviten gelesen, weil ich das Stillen schon nach sechs Monaten aufgegeben habe – wie selbstsüchtig von mir! Eine hat sogar behauptet, dass Miss T. dadurch wahrscheinlich einen niedrigeren IQ bekäme und sich auch in körperlicher Hinsicht unterdurchschnittlich entwickeln würde. Also, ich musste fast lachen. Schließlich weiß doch jeder, dass Miss T. einmal Premierministerin oder Miss Universum wird. Und danach haben sie mir das Gefühl gegeben, eine unmoralische Außerirdische zu sein, weil ich zugegeben habe, dass ich mir bei der Geburt eine Epiduralanästhesie habe spritzen lassen. Das war ja sooo selbstsüchtig von mir, nach nur drei Tagen grauenhafter Wehen, ohne dass mit der Geburt etwas voranging. Na ja, zum Teufel mit der ganzen Bande und zum Teufel mit ihren Birkenstock-Latschen«, hatte Sally ihren Sermon beendet, leicht außer Atem von ihrer Tirade, aber zufrieden darüber, dass es ihr gelungen war, ein kleines Lächeln auf Chloes Gesicht zu zaubern.
    Nachdem ihre alte Freundschaft wieder aufgeblüht war, hatten Sally und Chloe die gesamte Gruppe bei den nächsten Zusammenkünften systematisch unter die Lupe genommen und Ausschau nach Müttern gehalten, die keine Moralapostel und keine Nervensägen waren. Letztendlich trafen Tallulah und Nicolas die Wahl für sie. Beide schien es – wie die Motten zum Licht – zu einer bezaubernd schönen, jungen Frau hinzuziehen mit großen grauen Augen, hohen Wangenknochen und weißblondem Haar. Sie saß immer irgendwo für sich alleine und hatte ein schüchternes kleines Mädchen auf dem Schoß, die Miniaturausgabe ihrer Mutter. Kaja.
    Kaja war von Estland nach England gekommen, um bei ihrem Mann Steve zu leben, den sie vor wenigen Jahren in ihrer Heimatstadt Tallinn kennengelernt hatte. Sie hatte damals an der Universität von Tartu Geschichte studiert und war immer auf der Suche nach einer Möglichkeit, ein bisschen Geld dazuzuverdienen. Letztendlich hatte sie nur zwei Jobs zur Auswahl: sich als mittelalterliche Jungfer zu verkleiden, um für ein Restaurant am historischen Rathausplatz Werbung zu machen, oder mit einer Freundin zusammenzuarbeiten, die sogenannte »Herren-Wochenenden« für Engländer nach Tallinn organisierte.
    Der Mittelalter-Job klang langweilig, der andere auch nicht besonders verlockend – schließlich nannte man diese Männermeuten nicht umsonst »Geile-Böcke-Touren«. Kajas Freundin aber sah das Ganze furchtloser, und es gelang ihr schließlich, Kaja umzustimmen. Die Engländer wären gar nicht so schlimm, meinte sie, und es mache gar nichts, dass Kajas englischer Wortschatz nur aus »hello« und ihrem eigenen Namen bestand (Letzteres war allerdings nicht wirklich ein englisches Wort). Und überhaupt, mit all den Paintball -Spielen, den Kneipentouren und Besuchen von Tabledance -Clubs blieb sowieso kaum Zeit für Gespräche, in welcher Sprache auch immer. Alles, was sie zu tun hätte, war, die Getränke für die Männer zu bestellen, und, ja, natürlich, ihre beschwipsten Annäherungsversuche höflich lächelnd zurückzuweisen. Da diese Arbeit besser bezahlt war als der Jungfer-Job und da sie außerdem dadurch Gelegenheit bekam, mit ihrer Freundin zusammen zu sein, sagte Kaja zu.
    An ihrem ersten Abend – an dem sie eine Gruppe von Männern begleiteten, die für ein Londoner Start-up-Unternehmen arbeiteten – hatte Kaja sich gegen jegliche rauen Wikinger-Manieren seitens der Engländer gewappnet. Und dann lernte sie Steve kennen.
    Steve war nicht wie die anderen in seiner Gruppe, die sich nach einem gewissen Alkoholkonsum benahmen wie eine Herde schwerfälliger Büffel. Steve war der Jüngste, schlank, mit blondem Haar und einem warmherzigen, gewinnenden Lächeln. Sein Benehmen war höflich
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