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Der weiße Neger Wumbaba

Titel: Der weiße Neger Wumbaba
Autoren: Axel Hacke , Michael Sowa
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Lulle staviert, der Lulle staviert‹ verstand. Beiliegend eine Tonkassette, auf welcher ich ganz am Anfang eine Probe vorsinge, um Ihnen auch die Melodie zu präsentieren. Wenn Sie in Ihrem Bekanntenkreis den richtigen Text feststellen und ihn mir verraten könnten, wäre ich für den Rest meines Lebens erleichtert.«
    Tatsächlich fand ich im Umschlag eine Kassette, auf welcher Herr K. laut und deutlich sang:
    »Der Lulle staviert…
    daralalalalaaaa…
    Der Lulle staviert….
    daralalalaaaaa.«
    Ich konnte nur die Leserschaft als meinen Bekanntenkreis im weitesten Sinne interpretieren und jeden um sachdienliche Hinweise bitten, dem das Lied irgendwie bekannt vorkam. (Ich selbst bin ja nun mal kein Fachmann für das Verstehen von Liedtexten, sondern ausdrücklich fürs Nichtverstehen.)
    Es meldete sich Herr W. aus Oldenburg, der meinte, den zweiten Teil des Satzes »Der Lulle staviert« könne man eventuell als »… löscht der Wirt« verstehen, aber was »Der Lu« oder »Der Lul« bedeuten solle – er wisse es nicht.
    Herr S. aus Seehausen regte an, das Ganze als »Der Ludl is a Wirt« zu verstehen, aber »verifizieren könnte das nur ein uralter Steirer, der den weiteren Text noch kennt«.
    Herr L. aus München schließlich fühlte sich eher durch das »Daralalalaaaaa« angeregt und legte den Text eines nordböhmischen Hopfenpflückerliedes bei, das mit den Worten begann:
    »Der Elefant
    tralala, tralala,
    ist weltbekannt,
    tralala, tralala.«
    Und es hörte auf mit diesem Text:
    »Stumpfsinn, Stumpfsinn, du mein Vergnügen,
    Stumpfsinn, du meine Lust;
    denn gäb’s kein Stumpfsinn,
    gäb’s kein Vergnügen,
    denn gäb’s kein Stumpfsinn,
    gäb’s keine Lust«.
    Was daraus zu schließen wäre, wurde mir nicht klar. Außer, dass man nicht Hopfenpflücker von Beruf sein möchte, schon gar nicht in Nordböhmen.
    Das Ergebnis also: nichts. Herr K. meldete sich dann ein Jahr später noch einmal und schrieb: »Es ist mir also nicht gelungen, den richtigen Text zu erfahren. Nun muss ich leider auf des Rätsels Lösung verzichten. Gottlob nicht mehr lange, denn inzwischen bin ich 79 Jahre alt.«
    Es kann aber auch anders kommen, viel erfreulicher. Eines Tages schrieb mir Herr H. aus Berlin, er habe als kleiner Junge einige Jahre gegenüber einer russischen Kaserne gelebt. »Immer wenn eine Abteilung russischer Soldaten mit klatschendem Gleichschritt aus dem Tor marschiert kam, rannte ich ans Fenster. Ich musste nicht lange warten, dann fingen sie an zu singen – ein Vorsänger mit unverständlichem Text, aber schönem, hellem Tenor, dann fiel die ganze Kompanie ein in den Refrain ›Leberwurscht, öhöhö, Leberwurscht‹. Den Wunsch nach Leberwurscht teilten wir natürlich alle – der Krieg war noch nicht lange vorbei. Aber warum man diesen Wunsch singend ausdrücken musste und warum Russen ausgerechnet das Wort ›Leberwurscht‹ kannten, wo sie sich doch sonst fremdartig verständigten, das blieb mir etwa 20 Jahre lang ein Rätsel. Seine Lösung fand ich im Zuge meines Studiums der Slawistik. Da las ich einmal eine kurze Geschichte, in der russische Soldaten im Lied ihren Führer (russ.: voshd  ) Lenin rühmten.«
    Kaum hatte ich das veröffentlicht: neue Briefe zu diesem Thema! Herr B. aus Leipzig schrieb, diese Geschichte habe ihm ein Rätsel gelöst, »dessen Erklärung mir in diesem Leben nicht mehr vergönnt schien«, seit er seine Kindheit in Leipzig wenige Meter von einer sowjetischen Dienststelle verbracht habe, deren Wachsoldaten mehrmals wöchentlich zum Wurscht-Lied exerzierten.
    Herr M. aus Forstinning schrieb, ihn und seine Familie habe es am Kriegsende nach Sachsen verschlagen, wo sie ebenfalls am Leberwurscht-Lied herumgegrübelt hätten – bis heute. M. schrieb: »Sie haben das phonetische Rätsel meiner Kindheit gelöst. Wer hat je geglaubt, daß die Mauer fiel, oder daß sich die Sache mit der Läbberwurscht aufklärt?«
    Den Herrn G. aus Walluf, aufgewachsen in Oranienburg bei Berlin, hatte das Lied bis zu einer Israel-Reise 1973 verfolgt, wo er einen frisch emigrierten Russen aus Odessa getroffen habe, der ihm erklärt habe, »das sei ein Lied von/über Moskau gewesen«. Schließlich noch die Zuschrift von Herrn Sch. aus Weilheim, der schrieb: »Ich glaube allerdings, dass Herr H. aus Berlin mit seiner Deutung nicht recht hat. Soldaty w putj (›Soldaten, auf den Weg!‹) hieß das Lied laut meiner Mutter, die damals als Russisch-Dolmetscherin arbeitete. Smeleje w putj!, das bedeutet
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