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Der Weihnachtsfluch - Roman

Der Weihnachtsfluch - Roman

Titel: Der Weihnachtsfluch - Roman
Autoren: Heyne
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kannte.
    Er lächelte. »Er macht sie glanzvoller als sie ist. Er erfindet Heilige, die es nie gab, und verwandelt normale Menschen mit all ihren scheußlichen und egoistischen Fehlern in Helden mit Makeln, die man dann genauso liebt wie ihre Tugenden. Und wir haben uns dieser Illusion hingegeben, weil niemand sich traut, sie zu zerstören.«
    »Und Connor Riordan hat das erkannt?«
    Er blickte sie an, in seinen Augen funkelte Verständnis. »Ja. Connor hat alles gesehen: meine Liebe zu Maggie, und dass Fergal nicht mehr weiß, ob er weinen oder lachen und wie er sie zurückgewinnen soll. Und dass meine Mutter meinen Vater nicht so, wie er wirklich
war, in Frieden ruhen lassen kann. Und dass Father Tyndale glaubt, Gott habe ihn verlassen, weil er uns nicht gegen unseren Willen retten kann. Und noch vieles mehr. Ich behaupte sogar, er konnte in Kathleen Molloy und Mary O’Donnell und in die kleine Bridie und in alle anderen hineinsehen.«
    Er erwähnte Padraic Yorke nicht, und sie tat es auch nicht. Den Rest des Weges fuhren sie in freundschaftlichem Schweigen, oder sie unterhielten sich über das Land, die Jahreszeiten, über die alten Geschichten von den Flahertys und den Conneelys.
     
    Emily setzte Brendan im Dorf ab und brachte dann Jenny und den Einspänner zu Father Tyndale zurück. Er fragte sie nicht, was sie in Erfahrung gebracht hatte, und sie sagte ihm auch nichts. Daniel begleitete sie zum Haus zurück und trug ihre Tasche. Er sah sie neugierig an, fragte aber nicht nach. Womöglich ahnte er schon etwas.
    Am Abend, als Maggie und Fergal gegangen waren, war sie schließlich mit Susannah alleine. Daniel war im Arbeitszimmer und las. Susannah hatte wieder etwas Farbe im Gesicht und schien sich etwas erholt zu haben, obwohl der in die Ferne schweifende Blick immer noch da war, so als ob sie weggehen wollte. Morgen war Weihnachten, und sie war gespannt auf das Geschenk, das Emily ihr aus Galway mitgebracht hatte.
    »Hugo kannte die Wahrheit«, sagte Emily sanft und umfasste Susannahs dünne Hände, die auf der Decke lagen. Sie befanden sich im oberen Stockwerk, wo
Daniel unmöglich mithören konnte. »Wahrscheinlich besser als wir sie jemals kennen werden. Er sprach nicht darüber, weil er nicht ahnte, dass die Angst das Dorf vergiften, seine Seele auffressen würde. Hätte er das erkannt, hätte er, glaube ich, Father Tyndale davon berichtet, der für Gerechtigkeit gesorgt hätte.«
    Susannah fing an zu lächeln und hatte dabei Tränen in den Augen. »Hast du es dem Father schon erzählt?«
    »Nein. Ich werde dir berichten, und du tust dann, was du für richtig hältst, das was Hugo, wäre er hier, tun würde.«
    Dann erzählte sie, was sie in Galway erfahren hatte, und fügte noch hinzu, welche Erkenntnisse sie über Brendan Flaherty gewonnen hatte.
    »Ich befürchtete schon, es könnte Brendan gewesen sein«, gestand Susannah. »Oder Fergal. Er dachte, Maggie wäre in Connor verliebt.«
    »Ich glaube, sie war in Connors Ideen, in seine Fantasie verliebt.«
    Susannah lächelte. »Das waren wir wohl alle. Aber wir hatten auch Angst vor ihm. Weißt du, er konnte so schön singen, besser noch als Seamus. Colleen Flaherty hasste ihn deswegen. Ich glaube auch, er wusste, was Seamus für ein Raufbold war.« Sie seufzte. »Der arme Padraic. War es vielleicht ein Streit gewesen oder ein Unfall?«
    »Ich weiß nicht. Aber selbst wenn, so ließ Padraic doch zu, dass das Dorf daran zugrunde geht.«
    »Ja … ich weiß.« Eine Weile saßen sie schweigend da. »Father Tyndale hat mich jeden Tag besucht. Morgen
kommt er auch, und ich werde ihm alles erzählen. Das hätte Hugo auch getan.« Ihre Finger umklammerten Emilys Hand ganz fest. »Danke.«
     
    Am nächsten Morgen, als Father Tyndale kam, ließ sie ihn mit Susannah allein und ging an der Küste entlang zu der Stelle, wo Connor Riordan gestorben war. Der Gedenkstein stand weiter oben, außerhalb der Reichweite des Meeres, aber sie wollte da sein, wo Connor stand, als er noch lebte, und sie wollte seinem Geist mitteilen, dass die Wahrheit jetzt ans Tageslicht gekommen war. Nicht etwa, dass das wichtig gewesen wäre, höchstens vielleicht für die Lebenden. Selbst Hugo Ross würde es wissen, auch wenn sie nicht zu ihm sprach. Es war einfach nur das Gefühl, etwas zu Ende bringen zu müssen.
    Die hohen Wellen zischten auf den Sand, zogen sich wieder zurück, saugten sich wieder hinein und brachen mit ihrer trügerischen Gewalt über den Sand. Sie sah selbst, wie
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