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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat
Autoren: Claudia Kern
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»Wenn er bei seinem Vater war, wird er wohl auch tot sein«, sagte sie dann. »Wie dem auch sei, Westfall ist geschlagen.«
    »Ich habe gehört, dass die Fürstin den König ohne Land heiraten wird«, sagte Guus. »Und sie presst Bauern in den Militärdienst, um eine neue Armee aufzustellen.«
    Ana hörte ihm kaum zu. Die Neuigkeiten drohten sie zu überwältigen. Ihr fiel auf, dass ihre Hände zitterten, und versteckte sie unter dem Schaffell.
    »Und ihr wisst sicher, dass Rickard tot ist?«, fragte sie.
    Frek hob die Schultern. »Ist das nicht egal? Selbst wenn er noch am Leben wäre, könnte er Westfall nicht retten. Sein Vater war ein schlechter Feldherr, und Rickard hat sein Können von ihm gelernt.«
    Guus lachte. »Lass Penya doch die Hoffnung. Sie ist jung, und wie alle jungen Mädchen träumt sie davon, einen Prinzen zu heiraten. Habe ich nicht recht?«
    Ana blinzelte die Tränen zurück. Sie drehte den Kopf und blickte ins Feuer, um die anderen Gäste nicht ansehen zu müssen. Wenn Rickard tatsächlich mit seinem Vater in der Schlacht gefallen war, welche Hoffnung gab es dann noch für sie? Ihr Plan hatte darin bestanden, in eine der südlichen Städte Westfalls zu gehen und Rickard einen Boten zu schicken. Niemand außer ihm hatte erfahren sollen, wo sie sich aufhielt, vor allem nicht die Fürstin. Ana schluckte. Eine seltsame Leere breitete sich in ihr aus.
    Um Ana herum wurde weiter geredet und spekuliert. Sie hörte, wie sie über Fürsten diskutierten, deren Namen sie nicht einmal aussprechen konnten, und über Provinzen sprachen, an denen sie auf dem Großen Fluss einmal vorbeigefahren waren. Es waren einfache Leute, die nichts von Politik verstanden und ihre Neuigkeiten von anderen Reisenden erfuhren. Was wussten sie schon.
    Sie wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »Keiner von euch«, sagte sie und unterbrach damit das Gespräch, »war dabei, als die Schlacht geschlagen wurde. Keiner von euch weiß wirklich, was geschehen ist.«
    Die anderen Reisenden sahen sich an. Marta schien etwas entgegnen zu wollen, aber ihr Mann legte ihr die Hand auf den Arm. »Nein«, sagte er, »keiner von uns war dabei. Wir haben diese Geschichten auf dem Weg von Norden gehört.«
    »Gut.« Ana griff nach dem Löffel und begann den lauwarmen, nach Flusswasser schmeckenden Eintopf zu essen. Sie spürte, wie Hoffnung wie die Hitze des Feuers durch ihren Körper strömte. Nichts hatte sich geändert. Sie war nicht verloren, sie wusste immer noch, welches Ziel am Ende ihres Weges wartete. Alles würde so eintreten, wie sie es geplant hatte.
    Diese Überzeugung, dachte sie, während neben ihr die Reisenden ihre Unterhaltung stockend wieder aufnahmen, war wohl auch der Grund dafür, dass sie keine Trauer spürte, wenn sie an Rickard dachte, und keine Sorge.
    So war es bestimmt.

 
Kapitel 2
     
    Dem Reisenden, der Gomeran bereist, sei ein Besuch des dortigen Klosters empfohlen. In seiner Bibliothek liegen mehr als zehntausend Schriftrollen, und sie alle beschäftigen sich mit derselben Frage: Haben die Götter den Großen Fluss erschaffen, oder hat der Große Fluss die Götter erschaffen?
    Jonaddyn Flerr, Die Fürstentümer und Provinzen der vier Königreiche, Band 2
     
    Er hatte gelacht, als sein Vater, der Fürst, ihm von den Völkern erzählt hatte, die zum Großen Fluss beteten. Wie kann man zu einem Fluss beten? , hatte er gesagt. Das ist doch nur Wasser. Sein Vater hatte gelächelt und geschwiegen. Damals hatte er das als Zustimmung gewertet, aber nun, da er auf einer Insel am Ufer des Großen Flusses saß, erkannte er, dass es das Lächeln eines Mannes gewesen war, der einem kleinen Jungen nicht hatte widersprechen wollen.
    Ich hätte die Wahrheit nicht verstanden , dachte Gerit. Sein Blick glitt über das Wasser, suchte nach etwas, an dem er sich festhalten konnte, fand jedoch nichts. Der Große Fluss war nicht wie das Meer, das er von den Klippen Somerstorms gesehen hatte. Es gab keine hohen Wellen, keine Schaumkronen, keine Eisschollen, die knirschend aneinanderrieben. Da war nur Wasser, eine endlose blaue Fläche, die mit dem Horizont verschmolz und Gerits nackte Füße umspülte. Alles, was er sah, hörte, roch, berührte, schien vom Wasser geprägt zu sein. Sein süßlicher Geruch wurde vom Wind über das Land getragen. Alles schmeckte danach, der Fisch, das Wild, die Früchte. Das Rauschen des Wassers war allgegenwärtig. Manchmal glaubte Gerit zu hören, wie es die Steine glatt schliff und die Inseln, die
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