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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene
Autoren: Franz Kafka
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Achselzucken anzeigte.

    Da sprang Delamarche in Unterkleidung aus dem Waschraum hervor, während man Brunelda krampfhaft weinen hörte. Karl und Robinson ließen vom Suchen ab und sahen den Delamarche an, der ganz und gar durchnäßt, auch vom Gesicht und von den Haaren rann ihm das Wasser, ausrief: "Jetzt also fangt gefälligst zu suchen an. " "Hier! " befahl er zuerst Karl zu suchen und
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    dann "dort! " dem Robinson. Karl suchte wirklich und überprüfte auch noch die Plätze, zu denen Robinson schon kommandiert worden war, aber er fand ebensowenig das Parfum, wie Robinson, der eifriger, als er suchte, seitlich nach Delamarche ausschaute, der soweit der Raum reichte stampfend im Zimmer auf- und abgieng und gewiß am liebsten sowohl Karl wie Robinson durchgeprügelt hätte.

    "Delamarche", rief Brunelda, "komm mich doch wenigstens abtrocknen. Die zwei finden ja das Parfum doch nicht und bringen nur alles in Unordnung. Sie sollen sofort mit dem Suchen aufhören. Aber gleich! Und alles aus der Hand legen!
    Und nichts mehr anrühren! Sie möchten wohl aus der Wohnung einen Stall machen. Nimm sie beim Kragen Delamarche, wenn sie nicht aufhören! Aber sie arbeiten ja noch immer, gerade ist eine Schachtel gefallen. Sie sollen sie nicht mehr aufheben, alles liegen lassen und aus dem Zimmer heraus! Riegel hinter ihnen die Tür zu und komm zu mir. Ich liege ja schon viel zu lange im Wasser, die Beine habe ich schon ganz kalt. "

    "Gleich Brunelda gleich", rief Delamarche und eilte mit Karl und Robinson zur Tür. Ehe er sie aber entließ, gab er ihnen den Auftrag das Frühstück zu holen und womöglich von jemandem ein gutes Parfüm für Brunelda auszuborgen.

    "Das ist eine Unordnung und ein Schmutz bei Euch", sagte Karl draußen auf dem Gang, "gleich wie wir mit dem Frühstück zurückkommen, müssen wir zu ordnen anfangen."

    "Wenn ich nur nicht so leidend wäre", sagte Robinson. "Und diese Behandlung! " Gewiß kränkte sich Robinson darüber, daß Brunelda zwischen ihm, der sie doch schon monatelang bediente und Karl, der erst gestern eingetreten war, nicht den geringsten
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    Unterschied machte. Aber er verdiente es nicht besser und Karl sagte: "Du mußt Dich ein wenig zusammennehmen. " Um ihn aber nicht gänzlich seiner Verzweiflung zu überlassen, fügte er hinzu: "Es wird ja nur eine einmalige Arbeit sein. Ich werde Dir hinter den Kästen ein Lager machen, und wenn nur einmal alles ein wenig geordnet ist, wirst Du dort den ganzen Tag liegen können, Dich um gar nichts kümmern müssen und sehr bald gesund werden. "

    "Jetzt siehst Du es also selbst ein wie es mit mir steht", sagte Robinson und wandte das Gesicht von Karl ab, um mit sich und seinem Leid allein zu sein. "Aber werden sie mich denn jemals ruhig liegen lassen? "

    "Wenn Du willst, werde ich darüber selbst mit Delamarche und Brunelda reden. "

    "Nimmt denn Brunelda irgend eine Rücksicht?" rief Robinson aus und stieß, ohne daß er Karl darauf vorbereitet hätte, mit der Faust eine Tür auf, zu der sie eben gekommen waren.

    Sie traten in eine Küche ein, von deren Herd, der reparaturbedürftig schien, geradezu schwarze Wölkchen aufstiegen. Vor der Herdtüre kniete eine der Frauen, die Karl gestern auf dem Korridor gesehen hatte und legte mit den bloßen Händen große Kohlenstücke in das Feuer, das sie nach allen Richtungen hin prüfte. Dabei seufzte sie in ihrer für eine alte Frau unbequemen knieenden Stellung.

    "Natürlich, da kommt auch noch diese Plage", sagte sie beim Anblick Robinsons, erhob sich mühselig, die Hand auf der Kohlenkiste, und schloß die Herdtüre, deren Griff sie mit ihrer
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    Schürze umwickelt hatte. "Jetzt um vier Uhr nachmittags" –
    Karl staunte die Küchenuhr an – "müßt ihr noch frühstücken?
    Bande! "

    "Setzt Euch", sagte sie dann, "und wartet bis ich für Euch Zeit habe. "

    Robinson zog Karl auf ein Bänkchen in der Nähe der Türe nieder und flüsterte ihm zu: "Wir müssen ihr folgen. Wir sind nämlich von ihr abhängig. Wir haben unser Zimmer von ihr gemietet und sie kann uns natürlich jeden Augenblick kündigen.
    Aber wir können doch nicht die Wohnung wechseln, wie sollen wir denn wieder alle die Sachen wegschaffen und vor allem ist doch Brunelda nicht transportabel. "

    "Und hier auf dem Gang ist kein anderes Zimmer zu bekommen?" fragte Karl.

    "Es nimmt uns ja niemand auf", antwortete Robinson, "im ganzen Haus nimmt uns niemand auf. "

    So saßen sie still auf ihrem Bänkchen und warteten.
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