Der verbrannte Garten - Ulysses Moore : Staffel 2 ; 5

…
    Â»Es ist kaum größer als eine Brigantine«, wiederholte er zum x-ten Mal. »Und vollkommen schwarz. Der Rumpf, die Takelage, die Segel.«
    Langsam und lautlos glitten sie über die spiegelglatte Oberfläche des Sees.
    Â»Hier an diesem See ist nichts«, sagte Kalypso.
    Leonard öffnete die Seitenfenster und feine Nebelfäden drangen in die Kajüte ein, zusammen mit … »Hörst du das?«
    Â»Nein«, antwortete Kalypso. »Ich höre nichts.«
    Doch dann vernahm auch Kalypso Geräusche. Sie klangen wie ferne Trommeln. Unwirkliche, gedämpfte Trommeln. Und Schreie, die die Trommelschläge übertönten. Hysterische, wilde Schreie.
    Â»Das hört sich nach Affen an«, meinte die Buchhändlerin. »Aber woher kommen dann die Trommeln?«
    Leonard lauschte eine Weile. Dann sagte er: »Es klingt so, als feiere jemand eine Party.«
    Kalypso trank ihre Teetasse aus. »Ist es das, was du finden wolltest?«
    Â»Nein«, erwiderte Leonard.
    Etwas Größeres schrammte gegen den Kiel. Das Boot drehte sich wie in Zeitlupe um die eigene Achse.
    Und fuhr auf Grund.

Kapitel 31
Die letzte Behörde
    Man erreichte das Imaginäre Topografieamt, indem man durch eine winzige Tür ging, zu der eine außergewöhnlich hohe Treppe führte. Das Treppenhaus war so eng, dass man sich dicht an die Wand drücken musste, um eine andere Person vorbeizulassen.
    Das Amt selbst war ein riesiger Saal, angefüllt mit Zeichentischen, an denen Zeichner und Kartografen Hunderte von Landkarten zeichneten, kopierten und überprüften.
    Beamte mit golden schimmernder Haut schoben mehrstöckige Bürowagen vor sich her. Sie verteilten Landkarten und Verzeichnisse oder sammelten sie wieder ein. Trotz der vielen Leute war es in dem Saal sehr still. Man hörte nur das Kratzen von Zeichenfedern und Farbstiften, das Reiben von Ellenbogen gegen Tischplatten und das Knarzen der Hocker.
    Nestor ging zu dem Kartografen, der ihm am nächsten saß, und legte das Dokument vor, das er in der Einwanderungsbehörde erhalten hatte.
    Â»Ich suche jemanden, der für das Aktenzeichen zuständig ist …« Und er las die lange Kennnummer laut vor.
    Der Kartograf schickte ihn zu einem anderen Tisch. Nachdem Nestor, gefolgt von dem kleinen Flint, bei ein paar weiteren Beschäftigten vorgesprochen hatte, stand er schließlich vor einem Mann mit einem eigenartig knolligen Kopf, einer riesigen Brille und einem roten Bärtchen.
    Der Mann griff nach einer der zahlreichen Aktenmappen, die auf seinem Tisch lagen, und meinte: »Ich erinnere mich an diese Akte. Sie war ziemlich ungewöhnlich.«
    Nestor ließ ihm Zeit, die Mappe zu öffnen und durchzusehen. Dann fragte er: »Was war denn daran ungewöhnlich?«
    Â»Es war der dritte oder vierte Antrag zu diesem Ort. Allerdings stammten die Anträge aus verschiedenen Epochen.«
    Â»Wie bitte?«
    Der Mann drehte die Akte so um, dass Nestor sie lesen konnte. »Hier, sehen Sie? Die Letzte, die eine Aufnahme in die Organisation nicht-existierender Orte beantragte, war vor einigen Jahren Mistress Penelope Moore …«
    Â»Und vor ihr …?«
    Â»Xavier Moore. Aber das war sehr lange vorher.«
    Nestors Kiefermuskeln verkrampften sich. Der geheimnisvolle Xavier. Der Urahn der Familie Moore.
    Â»Später dann reichten Raymond und William Moore einen Antrag ein.«
    Also hatte Raymond das Geheimnis des Felsspalts gekannt, über dem er die Brücke hatte bauen lassen. Und war in den Abgrund hinuntergestiegen.
    Â»Auf jeden Fall«, fuhr der Beamte fort, »läuft das Verfahren noch. Und das ist ganz normal. Die Bearbeitung von derartigen Fällen kann mehrere Hundert Jahre in Anspruch nehmen. Lassen Sie mich mal nachsehen … Das hier ist das Verzeichnis der Voraussetzungen, die ein Ort erfüllen muss, um Mitglied der Union zu werden, und ich gehe mal davon aus, dass alle erfüllt sind: Sowohl Mister Raymond Moore als auch Mistress Penelope gaben als kennzeichnendes Merkmal das Vorhandensein dieser … äh … Türen zur Zeit an. Ja, ja, genau. Hier ist ja auch die Unterschriftenliste …«
    Â»Unterschriftenliste? Was für eine Unterschriftenliste?«, unterbrach Nestor ihn. Wie mochte es Penelope gelungen sein, sich eine Unterschriftenliste zu beschaffen?
    Der Beamte zog die entsprechende Anlage aus der Akte und reichte sie Nestor. Der riss entsetzt