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Der verbotene Kuss (German Edition)

Der verbotene Kuss (German Edition)

Titel: Der verbotene Kuss (German Edition)
Autoren: Johanna Marthens
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freute, dass ihre Mutter schlecht hörte. Eine angeborene Dysfunktion, hatten die Ärzte schon vor Jahrzehnten diagnostiziert; die Information des Schalls wurde erst über verschiedene andere Wege geleitet, bevor sie im Gehirn ankam, wo sie hingehörte. Da half auch kein Hörgerät. Dieses Leiden hatte schließlich auch den Unfall vor sieben Jahren verursacht, als ihre Mutter einem Auto nicht schnell genug ausweichen konnte, weil sie es nicht hörte. Daraufhin hatte sie wochenlang im Krankenhaus gelegen, bis sie wieder einigermaßen hergestellt war – nur laufen würde sie nie wieder können. Das war Laras Grund gewesen, Krankenschwester zu werden. Sie wollte sich um sie kümmern können. Doch wenn sie ehrlich war, hatte es ihr auch im Krankenhaus gefallen. Sie mochte das emsige Treiben auf den Fluren, die Atmosphäre der Fürsorge und Umsicht. Die Kompetenz und Sicherheit, die die Ärzte ausstrahlten, selbst wenn sie manchmal genauso wenig wussten, was nicht in Ordnung war, wie ihre Patienten. Und natürlich das geschäftige Treiben in der Stadt, wo ihre Mutter lange Zeit verbracht hatte. Sie hatte sie dort jeden Tag besucht, für die Prüfungen gelernt und natürlich gelegentlich mit den Pflegern und Assistenzärzten geflirtet. Und schließlich hatte sie sich auch an den permanenten Geruch des Desinfektionsmittels gewöhnt. Dass sie diesen Beruf so schnell aufgeben würde, daran hatte sie damals nicht einmal im Traum gedacht. Aber das Leben hielt eben immer wieder Überraschungen bereit.
    Sie ging zur Tür und sah dabei aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Unwillkürlich zuckte sie zusammen und sprang zur Seite. Doch als sie genauer hinsah, schüttelte sie den Kopf. Es war nur ein Spiegel an der Wand mit ihrer Reflexion. Lara lachte nervös auf. Sie hatte sich doch tatsächlich vor ihrem eigenen Spiegelbild erschreckt! Der Schock der vergangenen Nacht saß offenbar tiefer, als sie sich eingestehen wollte.
Sich langsam wieder beruhigend sah sie nun der Spiegelung in dem Glas fest in die Augen und legte kritisch den Kopf schief. Hier stand sie also, eine sechsundzwanzigjährige, dunkelblonde Frau mit zahllosen Sommersprossen auf der Nase. Unter den Sommersprossen befand sich eine feine, gerade Nase, darüber strahlten zwei blaue Augen. Ihre Lippen waren voll und rot, ihr Körper schlank und wohl proportioniert. Sie nahm die Bürste aus ihrer Tasche und begann, ihr langes Haar zu bürsten. Danach schlang sie ein Band so um den Zopf in ihrer Hand, dass sie zusammen einen Knoten im Nacken bildeten. Dann strich sie mit der Hand ein paar einzelne Haare aus dem Gesicht und legte den Kopf zurück. Der Tag konnte beginnen.
    Sie nahm ihre Tasche und packte ihr Nachthemd und die Wäsche vom gestrigen Tag hinein. Dann ging sie zum Bett und legte es ordentlich zusammen. Sie sah sich um. Das Zimmer war wieder so, wie sie es betreten hatte. Es war fast leer, nur ein paar vereinzelte Jungensachen hingen im Schrank. Der Raum gehörte einem der Söhne der Meyerhoffs, der in Amerika studiert hatte und nun um die Welt segelte. Der andere war verheiratet und wohnte in einer anderen Stadt. Lara kannte beide nicht und würde sie wahrscheinlich auch nie kennen lernen. Nur Marc vielleicht. Der Weltenbummler sollte eines Tages die Firma übernehmen und würde wahrscheinlich irgendwann mal ihr Chef werden. Aber das lag noch in ferner Zukunft.
    Lara öffnete die Tür und ging hinaus in den Flur, die Treppe hinunter, um sich die Bescherung im Arbeitszimmer im matten Morgenlicht anzusehen. Das Fenster würde man schnell reparieren können, die Scherben lagen schon im Mülleimer und auch das Blut im Teppich hatte sie in der Nacht noch weggeschrubbt. Es fehlten nur noch wenige Handgriffe, dann war alles wieder so wie immer.
    In diesem Moment klingelte es an der Haustür: der Glaser. Sie öffnete und ließ den älteren Mann in seinem hellblauen Overall hinein. Er lispelte stark, als er sie begrüßte.
»Guten Morgen! So früh schon auf, junges Fräulein? Wo ist denn das Unglück passiert?«
»Guten Morgen. Im Arbeitszimmer des Hausherren«, erwiderte Lara. Eigentlich hatte sie die Absicht noch hinzufügen, dass sie ihm den Weg zeigen wollte, doch der Mann schien sich nicht sonderlich für ihre Antwort zu interessieren. Oder er war einfach nur extrem effizient. Denn ohne auf ihre Anweisung zu warten, machte er sich schon auf den Weg ins Haus hinein. Mitten in der Eingangshalle blieb er neugierig stehen und sah sich um. »Nettes Haus. Wäre mir aber
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