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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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warfen. Ihr Haar war halb aufgelöst, wie die Hälfte ihres Gesichtes lehmverbacken; einige Strähnen wanden sich tiefschwarz daraus hervor und lagen in einer der Pfützen. Von ihrem Gesicht war nicht viel zu sehen; ein Auge war völlig vom Dreck verschlossen, das andere weit geöffnet, aber ebenfalls voller Schmutz. Ich sah auf sie hinunter, bis der Anblick mir vor den Augen verschwamm und die Reflexe der Verzierungen an ihrem Kleid zu tanzen begannen, weil mein ganzer Körper zitterte. Der Alptraum.
    – Der Anblick ist dir nicht fremd .
    Ich atmete ein und aus, bis das Zittern verging. Es war die Leiche einer jungen Frau, halb vom Schmutz verdeckt, ein nebensächliches Bündel Kleider, in dem ein erkalteter Körper steckte. Ich wich einen Schritt vom Rand des Schachts zurück, und Moniwid leistete keinen Widerstand.
    Als ich mich umdrehte, begegnete ich den Blicken der anderen Männer. Hanns Altdorfer musterte mich mit zusammengekniffenen Augen und nickte langsam. Ich setzte zum Sprechen an und mußte es ein zweites Mal versuchen.
    »Wer ist das?« flüsterte ich.
    Ich hörte den tiefen Baß des polnischen Ritters an meiner Seite; er sagte: »Die Gräfin Jagiello. Die Nichte meines Königs.«
    Ich drehte mich um und starrte in die Gesichter der Männer vor mir. Sie waren wie aus Stein gemeißelt. Ich sah, wie der Richter die rechte Hand zur Faust ballte und sie wieder öffnete. Endlich wandte ich den Kopf zur Seite und blickte Albert Moniwid an. Seine Augen funkelten vor Zorn.
    »Was ist mit ihr passiert?« fragte ich.
    Er schnaubte.
    »Habt Ihr keine Augen im Kopf?« knurrte er. »Leuchtet nochmals hinunter.«
    Hanns Altdorfer schloß die Augen und sagte leise: »Es ist nicht nötig. Man hat sie geschändet und erdrosselt.« Seine Stimme brach, und er räusperte sich und öffnete die Augen wieder. »Ermordet, Peter.«
    Plötzlich war ich froh, daß der Pole mich noch immer am Arm hielt. Ich ließ die Fackel sinken. Moniwid löste seinen Griff und nahm sie mir aus der Hand. Er beugte sich über die Grube und leuchtete hinein; ich hörte, wie er etwas in seiner Sprache zischte. Ich wollte es nicht tun, aber es war wie ein innerer Zwang: Ich drehte mich ebenfalls um und sah nochmals hinunter.
    Sie hatte ein Kleid mit einem engen Oberteil getragen, das die Brüste modellierte. Sie war üppig genug gebaut gewesen, um es sich leisten zu können. Das Oberteil war aufgerissen und entblößte ihren Körper bis zum Bauchnabel. Die Brüste waren weiß und von Lehm verschmiert; eine dicke, trocknende Schicht zog sich wie ein obszönes Zeichen über ihr Brustbein bis zum Bauch hinunter. Selbst darunter konnte man noch die dunklen Flecken auf ihrer Haut sehen, wo sie geschlagen worden war. Ein blutunterlaufener Striemen um ihre Kehle leuchtete ebenfalls düster unter dem nassen Schmutz auf ihrem Hals hervor. Der lange Rock war über die Knie geschoben; darüber verdeckte der schwere Stoff ihren Schoß und ihre Lenden. Ich sah das Blut; es war nicht viel, aber es hatte ihre Schenkel verschmiert und Flecken auf dem Rock hinterlassen. Ich erschauerte. Ich war froh, daß der Rock sie verhüllte; ich war nicht begierig zu sehen, was sich darunter befand. Moniwid hob die Fackel und hielt sie von der Grube fort, und ein tintiger Schatten floß über den geschundenen Körper und verhüllte ihn. Plötzlich war er nur noch ein vager, klumpiger Umriß inmitten des stumpf glänzenden Drecks.
    Ich starrte in die nun dunkle Grube hinunter. Wenn sie jemals als letzte Ruhestätte geplant gewesen war, hatte sie ihre Bestimmung unerwartet erfüllt. Ich begann wieder zu zittern.
    – Erinnerst du dich an sie? Sahen auch sie so aus unter ihren Laken, zerschunden und tot auf dem blutbeschmierten Boden in der Stube jenes Hauses?
    Ich biß die Zähne zusammen und hatte Mühe, ruhig zu atmen. Ich hörte undeutlich, wie jemand meinen Namen aussprach. Der Kanzler des Herzogs sah mich an; es war seine Stimme gewesen, die ich gehört hatte.
    »Geht es Euch gut?« fragte er, wieder auf bayrisch.
    »Es geht«, sagte ich schwach. Der Ritter, der noch immer neben mir stand, knurrte unterdrückt, man solle in einer Sprache sprechen, die auch er verstehen könne, und ich straffte mich. »Wer hat das getan?« fragte ich ruhig.
    Altdorfer hob die Hände. »Wir wissen es nicht«, sagte er.
    »Was habe ich mit der ganzen Angelegenheit zu tun? Warum habt ihr mich kommen lassen, Hanns?«
    Der Stadtkämmerer seufzte und setzte zu einer Erwiderung an. Doktor Mair kam
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