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Der teuflische Lord (German Edition)

Der teuflische Lord (German Edition)

Titel: Der teuflische Lord (German Edition)
Autoren: Natascha Artmann
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eine dieser Möglichkeiten musste er wahrnehmen, um eine Mahlzeit auf den Tisch zu bringen. Das Gesicht seines Gastes sah ein bisschen zu fahl und abgehärmt aus, als dass er sie ohne vorherige Stärkung einer Reise aussetzen konnte, die selbst auf einem Pferd sicher noch einen weiteren Tag in Anspruch nehmen würde.
    Es war eine Schande, dass man so ein junges Ding nicht nur alleine auf eine gefährliche Reise in die Kälte hinaus geschickt hatte, sondern auch, ihr nicht einmal Proviant mitzugeben. Welche Bande von heiligen Ordensfrauen auch immer so herzlos war, er würde sie nicht dabei unterstützen, einen jungen Menschen durch Kälte und Hunger zu Demut und Gehorsam zu erziehen.
    „Ich tue selten das, was man von mir verlangt“, ging Nikolas auf die letzte Bemerkung der Ordensfrau ein, die sie zu dem Thema geäußert hatte. „Ich tue immer nur das, was ich für richtig erachte.“
    Melisande sah beschämt zu Boden. Dieser Mann bürdete sich mit ihr eine Last auf, von der er nicht einmal ahnte, dass sie ihn in Schwierigkeiten bringen könnte. Und sie war nicht stark genug, ihre Lüge zuzugeben und das Angebot abzulehnen.
    „Ich werde Euch Eure Freundlichkeit irgendwann zurückzahlen.“ Ein vages Versprechen zu geben war das Einzige, was ihr in dieser Situation möglich war.
    „Werdet Ihr?“ Blitzende Augen kündigten eine Bemerkung an, die die Ernsthaftigkeit dieses gemachten Versprechens in Frage stellen sollte. „Ich dachte eigentlich, mein Lohn wird mir im Himmel gutgeschrieben und vergolten.“
    Als vermeintliche Nonne hätte sie wohl etwas in dieser Richtung sagen sollen. Aber daran hatte sie nicht gedacht und selbst wenn, wollte sie mit so einer Dreistigkeit nicht noch mehr Schuld auf ihre Schultern laden. Mit Bestimmtheit blickte sie auf das kantige Gesicht des Recken, seine dunklen Haare und seine hellen Augen und auf die kleine Narbe an seinem Kinn, bevor sie ihre Ansicht dazu bekannt gab.
    „Ihr habt aber nicht dem Himmel Eure Hilfe angeboten, sondern mir, Nikolas. Darum werde auch ich in Eurer Schuld stehen, bis ich Euch Eure Großzügigkeit vergelten kann.“
    Der Dank war Nikolas unangenehm. Mehr als das. Denn er hatte nicht das Gefühl, etwas davon zu verdienen. Er bot seine Hilfe nicht aus Herzensgüte an, sondern aus einem Pflichtgefühl heraus. Und er glaubte auch nicht, dass ihre Dankbarkeit lange anhalten würde, wenn der Schwester erst einmal klar wurde, wem sie sich da verpflichtet hatte.
    „Vergesst es einfach oder schreibt es einem Wunder zu, wenn Ihr wollt! Und vor allem, verschenkt Euren Dank nicht so großzügig an jemanden, der noch nicht wirklich etwas für Euch getan hat. Noch haben wir keine einzige Meile in Richtung Eures Klosters zurückgelegt. Wenn Ihr morgen um diese Zeit im Kreise Eurer Mitschwestern weilt, dann könnt Ihr Euch vielleicht darüber Gedanken machen, ob und wer Euren Dank verdient.“
    War das eine Warnung oder nur ein Hinweis, dass bei jeder Reise etwas Unvorhersehbares passieren konnte? Für Melisande spielte das keine große Rolle. Sie war allein schon dafür dankbar, dass er das Angebot ausgesprochen hatte.
    „Ich verstehe, Nikolas.“ Das war eine Bestätigung seiner Worte, die sich jedoch nicht so anhörte, als ob sie seinen Einwand wirklich ernst genommen hätte.
    Nikolas würde nicht noch einmal darauf eingehen. Da die Nacht inzwischen hereingebrochen war, setzte er seinen Entschluss zu einer nächtlichen Jagd dadurch um, dass er sich zurückzog.
    „Ich werde im Stall bei meinem Pferd schlafen. Also passt ein bisschen auf, dass Euch das Feuer nicht zu früh ausgeht, Schwester. Kurz vor Sonnenaufgang wird es erfahrungsgemäß nämlich immer am kältesten.“
    War das jetzt ein freundlich gemeinter Hinweis oder eine Entschuldigung dafür, sich unauffällig seines gemachten Angebotes zu entledigen und sich heimlich davonzumachen?
    „Ihr werdet doch am Morgen noch da sein?“ Diese ängstliche Frage konnte Melisande nicht zurückhalten.
    Nikolas war nicht beleidigt. Dass ihm auf Grund seines Rufes kein Mensch traute war er gewohnt. Doch es hatte etwas Beruhigendes, auch ohne diesen Makel misstrauischen Fragen ausgesetzt zu sein. Auch ganz normale Menschen mussten sich dem Zweifel ihrer Mitmenschen stellen.
    „Wenn Ihr denkt, ich würde im Dunklen durch die Gegend irren wollen, nur um Eurer Gesellschaft zu entfliehen, dann frage ich mich, welch schreckliches Geheimnis Ihr vor mir verbergen wollt, Schwester“, zog er ihre Bedenken ins Lächerliche.
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