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Der Spieler (German Edition)

Der Spieler (German Edition)

Titel: Der Spieler (German Edition)
Autoren: Paolo Pacigalupi
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die das? Fanatiker sind immer so ...«
    »Uneinsichtig«, beendete er den Satz.
    »Also war der ganze Einsatz umsonst?«
    »Ohne den Körper bringt er uns nicht viel. Die Tibeter würden ihn nicht anerkennen, wenn wir ihn auf einen neuen Körper schreiben, und auch als Faustpfand für die Chinesen taugt er nicht viel, wenn er keine Anhängerschaft mehr hat.«
    Sie seufzte. »Ich wünschte, wir müssten nicht mit denen zusammenarbeiten.«
    »Ohne die Tibeter hätten wir gar nicht erst gewusst, dass wir nach dem Kind suchen müssen.«
    »Tja, aber jetzt drohen sie damit, dass der Pali Lama uns die Haut über die Ohren zieht, wenn wir ihn nicht zurückgeben, oder irgendetwas in der Art.«
    »Palden Lhamo«, verbesserte sie der Mann.
    »Wie bitte?«
    »Palden Lhamo«, wiederholte er. »Eine tibetische Göttin. Verantwortlich für den Schutz von Tibet und von unserem digitalen Freund hier.« Er deutete mit dem Kopf auf den Datenwürfel. »Gemälde zeigen sie, wie sie auf einem Esel über den Blutsee reitet und die abgezogene Haut ihres Sohnes als Satteldecke benutzt.«
    »Was für eine entzückende Kultur.«
    »Du solltest die Bilder mal sehen: rotes Haar, eine Kette aus Totenköpfen ...«
    »Schon gut!«
    »Kann ich das Fenster aufmachen?«, fragte Wang Jun.
    Die Frau warf dem Mann einen fragenden Blick zu. Er zuckte mit den Achseln.
    » Suibian «, sagte sie.
    Also löste Wang Jun die Verriegelung und kurbelte das Fenster weit auf. Kühle Luft strömte herein. Weit nach draußen gelehnt spähte er in den orangefarben, glühenden Nebel hinab. Fuhr mit der Hand über das schwammartige organische Exoskelett des Gebäudes − eine äußerst widerstandsfähige Wabenlandschaft. Weiter unten konnte er schemenhaft die über die Oberfläche krabbelnden Arbeiter ausmachen. Hinter ihm nahm das Gespräch seinen Lauf.
    »Also, was machen wir jetzt?«
    Der Mann deutete auf den Datenwürfel. »Wir könnten seine Heiligkeit jederzeit an den Computer anschließen und um Rat fragen.«
    Wang Jun horchte auf. Er hätte die Stimme aus dem Computer gerne wieder gehört.
    »Wären die Chinesen auch ohne seinen Körper an einem Handel interessiert?«
    »Vielleicht. Wahrscheinlich würden sie den Würfel in einer Schreibtischschublade aufbewahren. Bis er Staub ansetzt. Ihnen wäre es ja nur recht, wenn er nie wiedergeboren wird. Dann hätten sie eine Sorge weniger.«
    »Dann könnten wir ihn also vielleicht doch noch gegen etwas eintauschen?«
    »Aber viel würden wir nicht bekommen. Denn was macht es schon aus, wenn er nicht wiedergeboren wird? Für sie hätte das erst in zwanzig Jahren irgendwelche Auswirkungen.« Er seufzte. »Die Verhandlungen beginnen morgen. In der Zentrale wird dieser Einsatz schon als verpfuscht abgestempelt. Man munkelt sogar, dass wir abgezogen werden sollen, noch bevor die Verhandlungen beginnen. Wenigstens hat ihn die EU nicht bekommen.«
    »Ich bin froh, wenn ich wieder in Kalifornien bin.«
    »Yeah.«
    Wang Jun riss sich von der Aussicht los und fragte: »Werdet ihr ihn umbringen?«
    Die beiden wechselten einen Blick. Der Mann wandte sich ab und murmelte etwas vor sich hin. Wang Jun verkniff sich eine Reaktion auf dieses unhöfliche Verhalten. Stattdessen sagte er: »Ich habe Hunger.«
    »Er ist schon wieder hungrig«, murrte der Mann.
    »Jetzt sind nur noch Fertiggerichte da«, sagte die Frau.
    » Xing «, antwortete Wang Jun. Nachdem die Frau in die Küche gegangen war, betrachtete Wang Jun nachdenklich den dunkelblau glänzenden Datenwürfel, der da auf dem Regal lag.
    »Mir ist kalt«, sagte der Mann. »Schließ das Fenster.«
    Wang Jun sog noch einmal den köstlichen Duft des gebratenen Essens ein, der aus der Küche herüberwehte. Ihm knurrte der Magen, aber er ging trotzdem zum Fenster hinüber.
    »In Ordnung.«
     
    Der Nebel hielt ihn genau so hartnäckig umfangen, wie er sich an den Überbau der biologischen Stadt klammerte. Die Finger in die schwammige Wabenhaut gekrallt, lauschte er dem Lärm von Chengdu, das weit unter ihm lag, konnte aber durch den Nebel hindurch nichts erkennen. Er hörte jemanden fluchen und blickte nach oben. Weit über ihm starrte die schöne Frau, die aussah wie eine Chinesin, es aber doch nicht war, gemeinsam mit dem Mann aus dem Fenster der Luxuswohnung, vor dem sie sich als Silhouetten gegen das Licht abzeichneten.
    Wang Jun krallte die eine Hand noch tiefer in die Wabenwand und winkte ihnen mit der anderen zu, bevor er mit der spielerischen Leichtigkeit eines Betteläffchens
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