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Der Sohn des Wolfs

Der Sohn des Wolfs

Titel: Der Sohn des Wolfs
Autoren: Jack London
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auch auf den Fall des »Grindigen« Mackenzie, der sich in alten Tagen ereignete, ehe das Land von einwandernden Chechaquas * überschwemmt und verteilt war, und zwar zu einer Zeit, als Klondike einzig Anspruch darauf erhob, daß man von seiner Lachsfischerei Kenntnis nehme.
    Dem Grindigen Mackenzie sah man es an, daß er unter der Mühsal des Grenzerlebens geboren war und gelebt hatte. Sein Gesicht war von fünfundzwanzigjährigem unaufhörlichem Kampf mit den wildesten Launen der Natur gezeichnet, und die wildesten und härtesten Jahre von allen, die beiden letzten, hatte er damit verbracht, nach dem Gold zu graben, das dort in der Finsternis der Eisregionen verborgen liegt. Als die Sehnsucht ihn überkam, war er nicht überrascht, denn er war ein praktischer Mann und hatte andere Männer in der gleichen Lage gesehen. Aber er verheimlichte nach Möglichkeit jedes Zeichen seiner Krankheit. Das einzige, was man merkte, war, daß er schwerer als je arbeitete. Den ganzen Sommer kämpfte er mit den Moskitos und wusch die steilen Sandbänke im Stuart River für doppelten Naturalienlohn aus. Dann flößte er Bauholz den Yukon abwärts nach Forty Mile und baute sich eine so bequeme Hütte, wie sich irgendein Lager ihrer nur rühmen konnte. Sie schien so gemütlich zu werden, daß mancher Mann mit Freuden sein Partner geworden wäre, nur um bei ihm zu wohnen. Aber er vernichtete jede Hoffnung mit derben Worten, die für ihre Barschheit und Bündigkeit bekannt waren, und kaufte sich doppelten Proviantvorrat.
    Wie schon erwähnt, war der Grindige Mackenzie ein praktischer Mann. Wenn er etwas haben wollte, bekam er es meistens, aber er bog nie weiter von seinem Wege ab, als streng notwendig war. Obwohl er Arbeit und Mühsal gewohnt war, scheute er doch eine Reise von sechshundert Meilen übers Eis, zweitausend Meilen übers Meer und noch ein drittes Tausend Meilen, ehe das Ziel erreicht war – alles nur, um sich eine Frau zu holen. Das Leben war zu kurz. Daher spannte er seine Hunde vor, verstaute eine merkwürdige Last auf seinem Schlitten und steuerte quer über die Wasserscheide, deren westliche Hänge von den Hauptzuflüssen des Tanana durchfurcht wurden.
    Er war ein zäher Reisender, und seine Wolfshunde konnten bei weniger Nahrung schwerer arbeiten und länger laufen als irgendein Gespann in Yukon. Drei Wochen später fuhr er dann in das Jagdlager am oberen Tanana ein. Die Indianer wunderten sich über seine Unbesonnenheit, denn sie hatten einen schlechten Ruf und waren bekannt dafür, daß sie weiße Männer um unbedeutender Dinge, wie einer geschliffenen Axt oder einer zerbrochenen Büchse, willen töteten. Aber er bewegte sich unbewaffnet, mit einer seltsamen Mischung von Demut, Vertraulichkeit, Kaltblütigkeit und Unverschämtheit unter ihnen. Eine flinke Hand und eine tiefe Kenntnis von der Mentalität der Wilden gehörte dazu, um mit Glück so verschiedene Waffen zu handhaben; aber er war ein Meister in dieser Kunst und wußte, wann er schmeicheln und wann er mit dem Donnerkeil seines Zornes drohen sollte.
    Zuerst machte er dem Häuptling Thling-Tinneh seine Aufwartung und überreichte ihm ein paar Pfund schwarzen Tee und Tabak, wodurch er seine äußerste Gewogenheit gewann. Dann mischte er sich unter die Männer und Mädchen und gab ihnen am Abend einen Potlach. Der Schnee wurde festgestampft in einem Oval, das etwa hundert Fuß in der Länge und fünfundzwanzig Fuß in der Breite maß. In der Mitte wurde ein langes Feuer angezündet und der ganze Platz mit Zweigen bedeckt. Die Hütten standen verlassen, und die ungefähr hundert Mitglieder des Stammes sangen zu Ehren ihres Gastes. Der Grindige Mackenzie hatte sich ihren nicht sehr reichen Wortschatz angeeignet und wußte auch in ihren tiefen Kehllauten, ihrer fast japanischen Mundart, ihrem eigenartigen Satzbau und in all ihren ehrenden und schmückenden Ausdrücken zu reden. Er hielt also Reden in ihrem eigenen Stil und befriedigte ihre angeborene Liebe zur Poesie durch unförmliche Bilder. Nachdem Thling-Tinneh und der Schamane geantwortet hatten, schenkte er den Männern Kleinigkeiten, beteiligte sich an ihren Gesängen und erwies sich als ein Meister in ihrem »Zweiundfünfzig-Stöcke-Spiel«. Und sie rauchten seinen Tabak und waren vergnügt. Die jüngeren Männer nahmen jedoch eine herausfordernde Haltung ein und zeigten eine gewisse prahlerische Zudringlichkeit, die dank den deutlichen Hinweisen der zahnlosen Squaws und dem Kichern der jungen Mädchen
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