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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade
Autoren: Torsten Fink
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Absichten edel waren. Als der Held all seine Klagen vorgetragen hatte, erwiderte Edhil: ›Du führst eine große Klage gegen die Götter, Mensch, doch tust du uns Unrecht. Nicht wir sind es, die die Hakul schwach erscheinen lassen. Sieh die wilden Pferde in der Steppe: Sie sind schwächer als ihr, und die Wölfe, die sie jagen, sind zahlreich. Aber anders als die Hakul halten sie zusammen in der Gefahr, und so überleben sie.‹
    ›Aber die Wölfe werden dennoch satt‹, widersprach Etys dem Gott. ›Sollen wir uns weiter wie die Pferde von unseren Feinden über die Steppe jagen lassen?‹
    Edhil lachte und erwiderte: ›Vielleicht sollten sich die Hakul nicht nur untereinander, sondern auch mit ihren Nachbarn, den Pferden, verständigen. Dies ist mein Rat für dich, Mensch, und mehr will ich dir nicht sagen.‹ Dann trieb Edhil die Sonnenpferde mit seinem morgendlichen Ruf an und zog mit dem Wagen davon.
    Und plötzlich verstand Etys, was der Gott ihm hatte mitteilen
wollen, und er fasste einen kühnen Plan. Doch würden die Hakul ihm folgen? Sie sind eigensinnig und hören selten auf einen Mann, der nicht ihrer Sippe angehört. Er brauchte einen Beweis, dass er wirklich mit Edhil selbst gesprochen hatte. Also öffnete Etys die Augen einen Spalt weit und griff nach dem Wagen, als er an ihm vorüberrollte. Was für ein Schmerz erfasste ihn da! Seine Hand verbrannte, doch gelang es ihm wirklich, ein kleines Stück vom Zierrat des Sonnenwagens abzubrechen. Es loderte golden in seiner Hand, heißer als ein Schmiedefeuer und hell wie die Sonne. Er konnte es mit den Händen nicht halten, also wickelte er es in sein ledernes Hemd und steckte es in seinen Gürtel. Und dann stieg er mit verbrannter Hand und beinahe unbekleidet hinab ins Tal.« Elwah seufzte. Er ließ seinen Söhnen Zeit, sich vorzustellen, wie der Held mit nur einer gesunden Hand und halb nackt den eisigen Berg hinabklettern musste. Ihm half die Geschichte nicht, sich abzulenken. Er musste ständig an Lewe denken. Außerdem war es schon spät, und die Nacht nur wenige Stunden lang. Er beschloss, die Sache abzukürzen: »Ihr wisst, dass es ihm mit Hilfe des Heolins, des Lichtsteins von Edhils Wagen, gelang, die zerstrittenen Stämme zu vereinen, denn der Heolin öffnete allen, die ihn sahen, die Augen. Und ihr wisst, dass es Etys war, der unsere Ahnen lehrte, auf dem Rücken der Pferde zu reiten. Von da an endete die Not der Hakul, und unsere Nachbarn begegnen uns seit dieser Zeit mit mehr Achtung. Ihr wisst aber auch, dass es schon spät ist und uns morgen ein langer Tag bevorsteht.«
    »Aber Baba, das ist doch der beste Teil der Geschichte«, widersprach Sweru, »wie die Sippen und Stämme der Hakul hinter Etys vereint über die Steppe galoppierten und die Viramatai besiegten und die Romadh. Und wie sie die Akradai aus den Häusern vertrieben, die sie auf unseren Weiden errichtet hatten.«
    Elwah schüttelte den Kopf. »Es ist vor allem ein sehr langer
Teil, mein Sohn, und wenn ich ihn erzähle, dann werden wir noch bei Tagesanbruch hier sitzen.«
    »Dann erzähle uns wenigstens noch, warum die Wölfe nicht in dieses Tal kommen, Baba«, forderte Sweru hartnäckig.
    »Damit hast du angefangen, damit musst du auch aufhören, Baba«, meinte Calwah grinsend.
    Elwah seufzte. »Die Wölfe kommen nicht in dieses Tal, weil Etys es ihnen verboten hat. Denn er ruht hier, gar nicht weit von uns entfernt, in jener schmalen Schlucht, die wir die Jüngste Schwester nennen. Wir gehen dort nicht hin und halten auch unsere Tiere von seinem Grab fern, denn wir wollen seinen Schlaf nicht stören.«
    »Und warum hören die Wölfe auf ihn, Baba?«, fragte Sweru hartnäckig.
    »Weil immer noch der Heolin in seiner verbrannten Hand liegt. Die Wölfe fürchten ihn wie das Feuer, und er hält das Böse von diesen Bergen fern. Es ist heiliger Boden, den kein Daimon oder Alfskrol zu betreten wagt. Ja, selbst Xlifara Slahan, die Menschendiebin, wurde seit jener Zeit nicht mehr bei den Zelten der Hakul gesehen. Und jetzt ist es genug für heute.« Und damit beendete Elwah die Geschichte. Sie ging noch weiter, denn der Stammvater Etys hatte drei Töchter. Ihre Männer taugten nicht viel, und es geschah viel Unrecht und Leid, weil sie sich darum stritten, wer das Volk führen sollte. Sie fochten einen endlosen Krieg um Etys’ Erbe aus, kaum dass er gestorben war. So endete die Einigkeit und Größe der Hakul bereits mit Etys’ Tod. Den Heolin aber hatte der Fürst mit ins Grab
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