Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Florian blätterte in der
Süddeutschen
den Artikel über die Erstürmung des olympischen Dorfs auf.
„Es tut mir wirklich leid“, fügte Jörg nach einem Moment hinzu. „Meine Schwiegereltern haben eben noch nie echte Homosexuelle kennengelernt. Ich hätte mich sehr über euer Kommen gefreut, aber eine Hochzeit ohne die Eltern der Braut, das geht nicht.“
„Schon gut! Lassen wir das Thema“, brummte Fabian.
Die Ausladung hatte ihn daran erinnert, dass es auch in den Alpen der Respekt vor Schwulen und Lesben verbesserungsfähig war und man einen schwulen Spitzen-Skifahrer nicht überall mit offenen Armen empfangen würde.
Eine Mahlzeit wurde serviert, also erwartete man keinen Luftkampf mit wütenden Russen oder dergleichen. Stattdessen zog es nun die Bundeswehrmaschine vor, eine Weile lang in Sichtweite der Küste des NATO-Staates Türkei zu fliegen, bevor sie Kurs nach München nahm. Fabian nutzte die Zeit, sich auch mal zu seinem Onkel Klaus zu setzten. Von ihm erfuhr er, dass Mayerhofer von Pizunda drei Stunden lang verhört worden war, bis vermutlich Putin persönlich befohlen hatte, alle westlichen Athleten und Betreuer gehen zu lassen; auch Simon Pöschl. Seit dem Verhör spräche Mayerhofer nur noch einen Satz pro Stunde. Der internationale Haftbefehl wegen der Befragung zum mutmaßlichen Totschlag sei ebenfalls zurückgezogen worden. Fabian hätte gerne gehört, dass auch die Strafe wegen Homopropaganda gestrichen worden wäre, doch Klaus meinte, das würde Putin politisch nicht überleben.
Dr. Graber erwartete die Athleten und Betreuer in München. Auf seinen Wunsch blieben alle Schweizer und Liechtensteiner im Transitbereich des Franz-Josef-Strauß-Flughafens und damit sicher vor den Medien. Auf Drängen der Bundesregierung hatte der DSOB eine geplante Pressekonferenz kurzfristig wieder abgesagt, da sie die durch den Flugzeugabschuss entstandenen Wogen der internationalen Diplomatie zuerst glätten wollten. Zudem war Richard direkt auf dem Rollfeld von einer Boeing 737 abgeholt worden. Vanessa durfte nicht mit an Bord, dazu hätten sie und Richard zumindest verlobt sein müssen. Mit einem Linienflug nachfliegen wollte sie ihm jedoch nicht. Etwas Ruhe in ihrer Frauen-WG würde ihr guttun, so könnte sie über das Erlebte mit ihren Freundinnen plaudern, deshalb würde sie bei den Schweizern bleiben. Florian würde wie sie auch mit nach Zürich weiterfliegen, da ihn dort seine Eltern abholen wollten. Saubauer hingegen hatte noch einen Platz in einem Flug nach Graz buchen können. Für die österreichische Mannschaft war ein Reisebus organisiert worden.
Im Wartebereich fand Fabian Zeit, via Smartphone ins Internet zu gehen, zumal niemand groß Lust verspürte, über das Geschehene zu reden, abgesehen von Monti und Vanessa. Florian war an Fabian gelehnt eingeschlafen und Stas und Justin hielten mehr oder weniger unauffällig Händchen.
Im Moment interessierte Fabian vor allem eine E-Mail von Swiss-Ski an das ganze Team. Die FIS habe die Weltcup-Rennen von Kvitfjell und Kranjska Gora abgesagt, da angesichts der Ereignisse in Russland keine fairen Bedingungen bezüglich der Gesamtweltcup-Wertung herrschen würden. Das Weltcupfinale in Adelboden war noch nicht abgesagt worden und sollte als Vorbereitung für den Olympia-Slalom genutzt werden, der am letzten Wochenende in März in Kitzbühel nachgeholt werden würde. Dort würden auch die ausstehenden Medaillenfeiern stattfinden. Die FIS habe trotz der Rennausfälle entschieden, die Weltcup-Pokale auch diese Saison zu vergeben. Das Training würde anderthalb Wochen vor Adelboden wieder aufgenommen, ließ ihn Swiss-Ski mitteilen, die Details würden später bekannt gegeben. Danach folgten noch ein paar Hinweise, wo man sich melden müsste, falls man psychologische Beratung benötigte.
„Wissen Sie, Fabian“, sprach ihn plötzlich Mayerhofer an. „Das verändert einen, wenn man in so einem KGB-Verhörzimmer sitzt und die reden von Sibirien.“
Eigentlich war die Bezeichnung KGB falsch, aber das war wohl nebensächlich für Mayerhofer.
„Wenn ich die Augen schließe, sehe ich das Gesicht des Soldaten im Schnee und spüre in meinen Händen seine letzte Körperwärme“, erzählte ihm Fabian. „Sein Tod hätte nicht sein müssen.“
„Sie sehen nicht diesen Kampfjet vor Augen, den sie abgeschossen haben?“
„Vielleicht kommen diese Bilder später in meinen Kopf zurück, keine Ahnung. Der Russe auf dem Grat oben war auch blond. Wenn Florian an
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