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Der Serienmörder von Paris (German Edition)

Der Serienmörder von Paris (German Edition)

Titel: Der Serienmörder von Paris (German Edition)
Autoren: David King
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er sich im Alter von 48 Jahren für den Freitod entschied.
    Die Wegzug aus der französischen Hauptstadt hatte im Mai 1940 stark zugenommen, nachdem die Nazis in Belgien, Luxemburg und den Niederlanden eingefallen waren. Am Nachmittag des 3. Juni ertönte das beängstigende Heulen des Fliegeralarms. Die Luftwaffe bombardierte die Citroën- und Renault-Werke. Auch das Luftfahrtministerium am Boulevard Victor wurde angegriffen. Das einstündige Bombardement hinterließ eine Spur der Verwüstung – Krater in den Straßen, riesige Schutthaufen und einen Häuserblock, der den Beobachtungen des Journalisten Alexander Werth zufolge „wie ein schlecht geschnittenes Stück Cheddarkäse“ aussah. 254 Menschen starben bei dem Angriff, 652 wurden verletzt.
    Als sich die Wehrmacht Paris näherte und die Stadt von Norden, Osten und Westen her beinahe einkesselte, nahm der Exodus dann fast schon epische Dimensionen an. In kürzester Zeit waren die Züge überbucht, was viele Einwohner nötigte, mit dem Auto, dem LKW, dem Pferdewagen – ja, manche sogar mit einem Leichenwagen – aus der Stadt zu fliehen. Noch häufiger mussten sich die Menschen allerdings zu Fuß vor den Nazis in Sicherheit bringen. Sie packten ihre Habseligkeiten – von Matratzen bis hin zu Vogelkäfigen – auf Fahrräder, Motorräder, Kinderwagen, Schubkarren, von Ochsen gezogene Karren, Heuwagen und sogar mobile Verkaufswagen, mit einem Wort auf alles, was nur irgendwie über Räder verfügte.
    Scharen von Flüchtlingen quälten sich durch die Sommerhitze und die überfüllten Straßen und wurden häufig von deutschen Tieffliegern unter Beschuss genommen. Nach der Kriegserklärung Mussolinis am 10. Juni griffen auch italienische Flugzeuge an. An den Straßenrändern standen aus Benzinmangel verlassene Autos. In dem bedrückenden Klima aus Hitze und Hunger machten schnell Gerüchte die Runde. Sie ließen die schmerzvollen Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg wieder wach werden und verstärkten das Unsicherheitsgefühl angesichts der gegenwärtigen Krisensituation. Niemand wusste, wann man – wenn überhaupt – wieder in die Heimat zurückkehren würde.
    Von den 40 Millionen Bürgern Frankreichs befanden sich schätzungsweise zwischen sechs und zehn Millionen auf der Flucht. Die Einwohnerzahl von Paris reduzierte sich auf einen Schlag von drei Millionen auf ungefähr 800.000. Dieser Massenexodus wiederholte sich in vielen Städten Nord- und Ostfrankreichs, da die Menschen in Richtung Süd oder Südwest flohen. Der Pilot und zukünftige Autor des Welterfolgs Der kleine Prinz schaute von seinem Flugzeug der 2/33-Aufklärungsstaffel auf die Menschenmassen hinab und verglich das Geschehen „mit dem Auftreten eines Stiefels, der mitten in einen Ameisenhügel getreten war“ und die Unglücklichen in alle Richtungen vertrieben hatte. Die Menschen begaben sich auf einen Marsch „ohne Angst, ohne Hoffnung und waren nicht wirklich verzweifelt, so als folgten sie einer inneren Pflicht“.
    Ab dem 9. Juni begann selbst die französische Regierung, Paris zu verlassen, und setzte sich in den Süden ab – zuerst nach Orléans, dann in das Châteaux de la Loire, woraufhin sich die politischen Führer nach Bordeaux zurückzogen.
    Fünf Tage nach ihrer Flucht rollten deutsche Kradfahrer durch die nördlichen Vororte von Saint-Denis und stellten sich auf dem Place Voltaire auf. Am frühen Nachmittag hatte die deutsche Wehrmacht ihre erste Parade abgehalten und war zum Rhythmus von Trommeln und zur Melodie von Querflöten im Stechschritt über die ansonsten totenstille Avenue des Champs-Élysées marschiert. „Niemals habe ich eine so unheimliche und bedrückende Atmosphäre wie in Paris erlebt“, beschrieb Robert Murphy die Szenerie von seinem Büro in der Botschaft der Vereinigten Staaten aus, die am Place de la Concorde lag.
    Mindestens 16 Menschen nahmen sich an diesem Tag in Paris das Leben. Der Neurochirurg und Chefarzt des American Hospital, Comte Thierry de Martel, setzte sich eine Strychnin-Injektion. Der Schriftsteller Ernst Weiß, ein Freund von Franz Kafka, schluckte eine Überdosis Barbiturate, und als diese ihre Wirkung verfehlten, griff er zu einer Rasierklinge und schnitt sich die Pulsadern auf. Er starb innerhalb von 24 Stunden. Joseph Meister, der 64-jährige Concierge des Institut Pasteur, hätte sich niemals den Deutschen gefügt und setzte seinem Leben mit einem gezielten Kopfschuss ein Ende. Er war der erste Mensch gewesen, den Louis Pasteur von
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