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Der Schattenprinz

Der Schattenprinz

Titel: Der Schattenprinz
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merkwürdig. Was in meinen Augen wie starkes, festes Holz aussah, fühlte sich in meinen Händen an wie bemalte Leinwand.
    Weniger komisch war allerdings, dass der Prinz tief und fest schlief und dabei schnarchte wie unser alter Schulbus.
    Wir fuhren mit unserem Holztrog durch eine wunderschöne Gegend. Überall waren Bäume. Sie sahen alle aus wie echt. Ob sie gemalt waren oder nicht, konnte ich nicht sagen, denn sie waren zu weit weg, um sie zu berühren.
    Ich beugte mich über den Rand des Troges und sah überall wunderschöne Seerosen auf dem Bach schwimmen.
    Vielleicht ist die Zauberseerose irgendwo hier versteckt, dachte ich und schaute in das Wasser. Es war so klar, dass man jeden Stein sehen konnte. Ich sah alles, wirklich alles - außer meinem Gesicht.
    In diesem spiegelglatten Wasser konnte ich mein Gesicht nicht sehen. Vielleicht schlafe ich schon, dachte ich. Ich muss schnell mein Gesicht mit dem kalten Wasser waschen, um wach zu werden.
    Schnell, aber vorsichtig, um nicht aus dem Trog zu fallen, schöpfte ich mit beiden Händen Wasser aus dem Bach. Doch alles, was ich in den Händen hatte, war Luft.
    Die Hände blieben leer und trocken.
    Es war alles gemalt: der Bach, das Wasser, die Steine, die Seerosen. Und alles wirkte so lebendig. Von diesem Moment an war mir klar, dass dies ein Zauberbach war. Ich hörte, wie die Wellen mit hellen Stimmen sangen:
     
    »Komm mit, komm mit.
    Du musst mit uns mit.
    So ein Glück, so ein Glück.
    Du kommst nie zurück.«
     
    Dann hörte ich den Bach mit tiefer Stimme singen:
     
    »Wer will einmal zurückkommen,
    muss von meinem Wasser trinken.
    Nur dem folgt das Glück,
    nur der kommt zurück.«
     
    Oh, ich möchte gerne wieder zurückkommen. Hier ist es so schön, dachte ich. Der Bach sang, dass der, der zurückkommen wolle, Wasser aus dem Bach trinken müsse. Aber wie konnte man aus einem gemalten Bach Wasser trinken? Doch wenn der Trog auf dem Zauberbach schwimmen konnte, war es vielleicht auch möglich, sein Zauberwasser zu trinken.
    So nahm ich aus meiner Schultasche die bunte Tontasse mit dem zerbrochenen Henkel, schloss die Augen und schöpfte Wasser aus dem Zauberbach. Ich war sicher,
    dass, wenn ich die Augen wieder aufmachte, kein Wasser in der Tasse sein würde.
    Ich öffnete die Augen. Die Tasse war voll mit Wasser, aber nicht nur das, in der Tasse schwamm eine wunderschöne echte Seerose. Vorsichtig nahm ich die Seerose heraus.
    Dann trank ich. Hm, das ist lecker, dachte ich. Ich trank das ganze Wasser und legte die Seerose zurück in die Tasse. Dann packte ich beides vorsichtig in meine Schultasche.
    Vielleicht ist das die Zauberseerose, die Jola gestohlen wurde, dachte ich. Wenn sie es ist, dann hatte ich großes Glück sie zu finden. Denn in dem Bach schwammen unzählige Seerosen. Schade, dass mein Großvater nicht hier war. Wenn er an der Seerose riechen würde, könnte sie ihren Zauber beweisen. Mit diesen Gedanken machte ich es mir im Trog bequem und wartete, wo uns der Zauberbach hinbringen würde.
    Nach einiger Zeit bewegte sich der Prinz im Schlaf. In dem Moment rutschte ein Anhänger aus seiner Kleidung. An einer Kette, die um seinen Hals gebunden war, hing ein gelber Kreis mit einem roten Dreieck in der Mitte. Um den Kreis herum waren neun blaue Dreiecke angeordnet. Ich nahm den Anhänger in die Hand und konnte nicht erkennen, woraus er gemacht war.
    Warum hat mir der Prinz darüber nichts erzählt?, fragte ich mich.
    Er ist so geheimnisvoll Wer weiß, wie viele Geheimnisse er noch vor mir versteckt? Ein Geheimnis werde ich jetzt sofort lösen. Ich werde seinen Schal abwickeln, um endlich sein Gesicht zu sehen.
    Ich zog den Schal von seinem Gesicht und ich sah nichts. Ich konnte nichts sehen, denn überall um mich spürte ich eine mächtige Kraft. So mächtig, dass ich die Augen schließen musste.
     
    Als ich die Augen wieder öffnete, lag ich auf der Theaterbühne zwischen den Kartonsteinen.
     

Die unglaubliche Wirklichkeit
     
    Ich glaubte zu träumen. Ich zwickte mich in den Oberarm. Das tat weh und so wusste ich, dass ich wach war.
    Dann war das alles, was ich mit dem Schattenprinz erlebt habe, nur ein Traum, dachte ich. Schade, es war ein so schönes Abenteuer. Den Traum muss ich sofort Johanna und Großvater erzählen, beschloss ich.
    Ich stand auf und sah hoffnungsvoll auf meine Schuhe.
    Vielleicht war auch dieser Kratzer nur ein Traum?
    Leider war er kein Traum. Der böse Kratzer war genau da, wo er vorher auch gewesen war.
    Ich
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