Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Purpurkaiser

Titel: Der Purpurkaiser
Autoren: Herbie Brennan
Vom Netzwerk:
ungesetzlich.«
    »Ich bin der Kaiser!«, sagte Pyrgus fest. »Ich bestimme, was gesetzlich ist!«
    »Ihr seid der designierte Kaiser«, sagte Gnoma. »Aber ich verstehe, worauf Ihr hinauswollt. Ich muss Euch jedoch warnen, dass die Methode, die mir vorschwebt, religiösen Gesetzen widerspricht. Und die bestimmt nicht Ihr.«
    Pyrgus stand so rasch auf, dass sein Stuhl umfiel. »Ich muss mit meinem Vater sprechen!«, rief er. »Als Ihr designierter Kaiser befehle ich Ihnen, ihn wiederzuerwecken!«
    Gnoma blieb sitzen. Er sah zu Pyrgus hoch und begann langsam wieder zu lächeln. »Dann bringt mir seinen Leichnam.«
     

Neunundneunzig
     
    G nomas Laboratorium war ein steriler, fensterloser unterirdischer Würfel, der nach chinesischer Wäscherei roch. In der einen Ecke standen ein alchimistischer Feuerofen, ein Schmiedeamboss und ein Schrank mit einer Auswahl von Destillierkolben; ungefähr in der Raummitte stand eine fast zwei Meter lange fahrbare Krankentrage unter einer Reihe leistungsstarker Glühkugeln. Daneben war ein Instrumententisch, neben dem sich die Ausrüstung des Kaiserlichen Bildners wie Kinderspielzeug ausgenommen hätte.
    Die Holzkiste stand auf dem Boden neben der Trage.
    »Niemand weiß, dass Ihr sie hierher geschafft habt?«, fragte Gnoma.
    Pyrgus schüttelte den Kopf. »Nur der Kutscher, und der weiß nicht, was drin ist.« Er war so nervös, dass er kaum still stehen konnte.
    »Pyrgus Malvae, ich muss Euch noch einmal fragen, ob es Euer Wunsch ist, diese Operation durchzuführen? Sobald die Arbeit begonnen hat, darf sie nicht mehr abgebrochen werden.«
    Pyrgus leckte sich die Lippen. »Bringen wir es hinter uns.«
    Gnoma bedachte ihn mit einem Blick, der an Verachtung grenzte. »Kiste und Inhalt sind mit einem Schwebezauber versehen?«
    Pyrgus nickte.
    »Öffnen«, befahl Gnoma.
    Pyrgus funkelte ihn böse an, sagte jedoch nichts. Er mochte Kronprinz und designierter Kaiser sein, aber er war in etwas so Frevelhaftes verwickelt, dass er jetzt schlecht auf Förmlichkeiten bestehen konnte. Er kniete sich neben die Kiste und betete leise um Vergebung. Das Schloss war auf ihn geeicht und er presste kräftig den Daumen dagegen. Mit einem öligen Klicken glitten die Bolzen zurück. Pyrgus sah auf.
    »Öffnen«, sagte Gnoma wieder, leiser diesmal. Seine Augen glitzerten.
    Pyrgus merkte, dass er die Luft anhielt, und atmete kräftig aus. Er hob den Deckel der Kiste an, der an seinen Scharnieren hintenüberkippte und mit einem unziemlichen, grässlichen Krachen aufschlug. Der Leichnam seines Vaters lag darin, auf einem Bett aus sauberem Stroh.
    Der Stasiszauber hatte die Verwesung aufgehalten, so dass es nur nach frischem, kaltem Fleisch roch, aber sämtliche Kunstfertigkeiten des Balsamierers hatten die Gewalt nicht ungeschehen machen können, die dem Gesicht von Apatura Iris angetan worden war. Henry zufolge hatte es sich bei der Waffe, mit der er ermordet worden war, um eine so genannte Schrotflinte gehandelt, die Hunderte winziger Bleistücke auf einmal losfeuerte. Sie war auf kurze Entfernung abgefeuert worden. Tränen stiegen in Pyrgus’ Augen auf und ließen den Anblick gnädig verschwimmen.
    »Den Körper auf den Operationstisch«, sagte Gnoma.
    Damit hatte Pyrgus schon gerechnet, und er konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Aber er griff in die Kiste. Zum ersten Mal seit Jahren legte er die Arme um seinen Vater. Der Schwebezauber machte ihn unwirklich leicht, wie eine Feder. Pyrgus stand auf, den Toten in seinen Armen geborgen. Von Schluchzern geschüttelt legte er ihn sanft auf die Trage.
    »Mit dem Gesicht nach unten«, sagte Gnoma.
    »Ist das nötig?«, fragte Pyrgus scharf. Es geziemte sich nicht für einen Purpurkaiser, bäuchlings dazuliegen.
    »Wir müssen an das Licht herankommen«, sagte Gnoma entschieden.
    Pyrgus drehte den Leichnam um.
    »Bitte macht Platz«, sagte Gnoma. »Eure Arbeit ist getan.«
    Pyrgus trat zurück. Mit gewaltiger Willenskraft hielt er sich aufrecht, aber die Gefühle durchtosten ihn wie Stromschnellen. Er verstand überhaupt nicht mehr, warum er sich so lange und so hartnäckig mit seinem Vater gestritten hatte. Die Differenzen kamen ihm so unwichtig vor, so dumm. Sein Körper auf dem Tisch war so klein, so hilflos, so… leer. Aber vielleicht konnte er es jetzt wieder gutmachen. Vielleicht konnte er alles in Ordnung bringen.
    Gnoma nahm eine riesige Schneiderschere und setzte sie hinten an der purpurnen Amtsjacke des Kaisers an.
    »Was machen Sie denn?«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher