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Der Pfad der Dolche

Der Pfad der Dolche

Titel: Der Pfad der Dolche
Autoren: Robert Jordan
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Hügel waren für Bauern eine rauhe Gegend, weitab von den Handelsrouten, und jetzt noch rauher als gewöhnlich. Ein magerer Leopard, der beim Anblick von Menschen hätte fliehen sollen, beobachtete sie von einem steilen Hang aus, keine vierzig Schritte entfernt, während sie mit ihrer bewaffneten Eskorte vorüberritt. Westwärts drehten Geier unheilverkündend ihre Kreise. Keine Wolke verunstaltete die blutrote Sonne, doch wenn der warme Wind blies, wirbelte er Staub wände auf.
    Ethenielle ritt mit fünfzig ihrer besten Männer im Gefolge unbesorgt und gemächlich dahin. Anders als ihre fast legendäre Vorfahrin Surasa hegte sie nicht die Illusion, daß sich das Wetter nach ihren Wünschen richten würde, nur weil sie den Wolkenthron innehatte. Eile mit Weile... Ihre sorgfältig verschlüsselten, gut verwahrten Briefe enthielten genaue Anweisungen über die Marschordnung, um dem Bedürfnis aller Beteiligten zu entsprechen, auf ihrer Reise keinerlei Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Keine leichte Aufgabe. Einige hatten es für unmöglich gehalten.
    Sie dachte stirnrunzelnd darüber nach, daß sie sich glücklich schätzen konnte, so weit gelangt zu sein, ohne jemanden töten zu müssen, indem sie jene kleinen Dörfer gemieden hatte, selbst wenn es zusätzliche Reisetage bedeutete. Die wenigen Ogier- Stedding stellten keinen Grund zur Sorge dar - Ogier kümmerten sich meist wenig darum, was unter Menschen geschah, und in letzter Zeit anscheinend noch weniger als gewöhnlich -, aber die Dörfer... Sie waren zu klein, als daß sich dort Augen-und-Ohren der Weißen Burg aufhielten, oder dieser Bursche, welcher der Wiedergeborene Drache zu sein behauptete - vielleicht war er es; sie konnte nicht entscheiden, was schlimmer wäre -, und doch zogen möglicherweise Händler hindurch, die ebenso viel Gerede mit sich brachten wie Waren und die sich mit Menschen unterhielten, die wiederum mit anderen Menschen sprachen, so daß sich Gerüchte wie ein immer weiter anschwellender Fluß durch die Schwarzen Hügel und in die Außenwelt verbreiteten. Ein einziger Schafhirte, welcher der Aufmerksamkeit entging, konnte mit wenigen Signalen noch fünfhundert Meilen entfernt sichtbare Leuchtfeuer in Gang setzen. Die Art Leuchtfeuer, die Wälder und Wiesen in Flammen aufgehen ließen. Und vielleicht Städte. Nationen.
    »Habe ich die richtige Wahl getroffen, Serailla?« Ethenielle grinste, obwohl sie sich über sich selbst ärgerte. Sie war vielleicht kein Mädchen mehr, aber ihre wenigen grauen Haare ließen auf ihre noch unzureichende Erfahrung schließen. Die Entscheidung war getroffen. Sie hatte jedoch daran gedacht. Beim Licht, in Wahrheit war sie keineswegs so unbesorgt, wie sie es gern gewesen wäre.
    Ethenielles erste Beraterin brachte ihre graue Stute näher an den glänzend schwarzen Wallach der Königin heran. Mit ihrem Gelassenheit ausstrahlenden runden Gesicht und den nachdenklichen dunklen Augen hätte Lady Serailla eine Bäuerin sein können, die jäh in das Reitgewand einer Adligen gesteckt wurde, aber der Verstand hinter dieser glatten, verschwitzten Stirn war ebenso scharf wie der jeder beliebigen Aes Sedai. »Die zweite Wahlmöglichkeit enthielt lediglich andere Risiken, nicht jedoch geringere«, sagte sie ruhig. Untersetzt und im Sattel dennoch genauso anmutig wie als Tänzerin, war Serailla stets bedächtig. Nicht schmeichlerisch oder unaufrichtig, nur einfach unerschütterlich. »Was auch immer die Wahrheit ist, Majestät - die Weiße Burg ist anscheinend handlungsunfähig und auch zerschlagen.
    Ihr hättet vielleicht die Große Fäule bemerkt, während die Welt hinter Euch zerfiel. Das hättet Ihr tun können, wenn Ihr jemand anders wärt.«
    Die einfache Notwendigkeit zu handeln. Hatte sie das hierher gebracht? Nun, wenn die Weiße Burg nicht tun wollte oder konnte, was getan werden mußte, dann mußte es ein anderer tun. Was nützte es, die Große Fäule zu bewachen, wenn die Welt hinter ihr tatsächlich zerfiel?
    Ethenielle schaute zu dem schlanken Mann, der an ihrer anderen Seite ritt. Weiße Streifen an seinen Schläfen verliehen ihm ein würdiges Aussehen. Das in einer verzierten Scheide steckende Schwert von Kirukan ruhte in seiner Armbeuge. Es wurde zumindest das Schwert von Kirukan genannt. Die sagenhafte Kriegerkönigin von Aramaelle hatte es angeblich getragen. Die Klinge war uralt, und einige behaupteten, sie sei mit Macht gestaltet worden. Das beidhändige Heft zeigte auf sie, wie es die Tradition
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