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Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Titel: Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
Autoren: Nick Lake
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passten nicht in ein einfaches Dorf, wo man sonst nur derbe, sonnenverbrannte Gesichter sah. Sie behaupteten, sein Geschick mit dem Bogen sei übernatürlich. Sie erzählten, seine Eltern müssten in die Berge gegangen und ihn an irgendeinem Schrein gegen einen Gott vertauscht haben. Tarō hasste das. Er konnte doch nichts dafür, dass er nicht aussah wie alle anderen und auch nicht dachte wie sie.
    Außerdem waren die Dorfbewohner scheinheilig. Tarō sah nicht ein, weshalb der Buddha das Töten von Fischen und anderen Meerestieren gutheißen, das Erlegen eines Kaninchens aber verdammen sollte. Und tief in seinem Innern verbarg er einen Traum, den er niemals mit den anderen im Dorf hätte teilen können und den er sich selbst kaum eingestand.
    Er träumte davon, eines Tages tatsächlich ein Samurai zu werden, dieses kleine Dorf zu verlassen und in den Dienst des großen Daimyō Oda zu treten. Dann würde er sich in eine wunderschöne Samurai-Dame verlieben und schließlich ruhmreich mit dem Schwert in der Hand sterben, ohne Gnade anzunehmen oder sich gar zu ergeben.
    Es gab nur eine weitere Person im Dorf, die Tarōs Begeisterung für Geschichten über Krieg, Ehre und Duelle teilte, und das war sein bester Freund Hirō. Tarō freute sich deshalb, als er aus dem Wald kam und Hirō auf der Straße nach Nagoya entdeckte.
    Auf dem staubigen Weg, der zum Dorf führte, stand Hirō, krummbeinig und trotzig. Sein massiger Körper schimmerte im Licht der untergehenden Sonne, und er war nackt bis auf einen weißen Lendenschurz. Ein muskelbepackter Reisender zog gerade seinen Kimono aus und baute sich kampfbereit vor ihm auf. Seiner Haltung nach musste er einer der Wellenmänner sein. Diese Rōnin waren nach der vernichtenden Niederlage von Daimyō Imagawas riesiger Armee gegen den gerissenen Fürsten Oda herrenlos.
    Rōnin dienten keinem Herrn, befolgten keinen Treue- und Ehrenkodex und glichen daher den Wellen  – sie waren zahlreich, ohne Ziel und ohne Halt. Die meisten Rōnin in dieser Gegend hatten einst dem Fürsten Imagawa gedient, doch allein die Tatsache, dass sie noch lebten, bewies ihre Ehrlosigkeit. Sie hatten sich nach Daimyō Odas Sieg geweigert, Seppuku zu begehen, und dadurch ihren Status als Samurai verloren.
    Tarō beobachtete lächelnd, wie Hirō sich lockerte. Sein Freund liebte es, durchreisende Kraftprotze zum Ringkampf herauszufordern  – und trotz seines fetten, scheinbar schwachen Leibes verlor er nur selten. Dieser Rōnin schien nicht zu erkennen, wozu Hirō fähig war  – und Hirō verließ sich auf diesen Vorteil. Der Mann und seine Gefährten hatten sicher hohe Wetten auf diesen Ringkampf abgeschlossen, weil sie sich eines Sieges über den dicken Bauern gewiss waren.
    Tarō setzte sich, um das Spektakel zu genießen.
    Während Hirō und der Rōnin einander umkreisten und nach Schwachpunkten suchten, standen die Gefährten des Rōnin am Wegrand. Tarō beobachtete sie neugierig. Sie schienen sich im Gegensatz zu den Zuschauern sonst nicht besonders für den Kampf ihres Freundes zu interessieren, obwohl ihre Rüstungen und Schwerter sie ebenfalls als Rōnin auswiesen. Offenbar waren sie von etwas anderem abgelenkt. Tarō schlich ein wenig näher an sie heran.
    »… zwei kleine Stichwunden, am Hals«, sagte einer von ihnen.
    »Und wo war das?«, fragte ein anderer.
    »In Minata. Nicht weit die Küste hinunter. Der Bauer war vollkommen ausgeblutet.«
    Der erste Reisende pfiff durch die Zähne. »Ein Kyūketsuki auf Daimyō Odas Land. Das ist ein böses Omen.« Dann bemerkte der Mann plötzlich Tarō, der in seiner Nähe hockte, bedachte ihn mit einem finsteren Blick und wandte sich wieder dem Kampf zu.
    Tarō drehte den Kopf weg, als hätte er die Männer nicht belauscht, und sah zu, wie der kämpfende Rōnin sich nach vorn warf und Hirō um Hals und Taille packte. Doch Tarōs Gedanken waren nun mit etwas anderem beschäftigt, und er beobachtete den Kampf ebenso beiläufig wie die beiden Rōnin. Ein Mann war getötet worden, so viel war klar. Und die Rōnin verdächtigten einen Kyūketsuki …
    Tarō hatte die blutsaugenden Dämonen stets für Märchenfiguren gehalten, mit denen man ungehorsamen Kindern Angst einjagte. Er hätte nie geglaubt, dass sie wahrhaftige Mörder waren, die aus dem Schatten auftauchen und nur drei Ri von seinem Zuhause entfernt Bauern töten konnten.
    Ein Schauer lief ihm über den Rücken, und er hatte das Gefühl, dass eine Gefahr in Shirahama erschienen war, so
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