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Der Nebelkönig (German Edition)

Der Nebelkönig (German Edition)

Titel: Der Nebelkönig (German Edition)
Autoren: Susanne Gerdom
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dass
seine Lippen ihre Wange streiften. »Ich will, dass du immer an meiner Seite
bist, meine Königin.«
    Sie lachte auf und wich
zurück, bis ihr Rücken an das Treppengeländer stieß. »Noch einer, der mich so
nennt«, spottete sie.
    Ein kurzer Moment, in dem sich
sein Gesicht zornig verzerrte. Dann legte er den Kopf in den Nacken und lachte.
Es klang wie das Heulen eines Wolfes. »Die kleine Ratte«, lachte er, »das hat
er von mir gehört! Und er wagt es, dich so zu nennen? Ich werde ihn töten, wenn
ich ihn das nächste Mal sehe.«
    Sallie wandte sich ab. »Ich
muss nachdenken, Bardh. Lass mich alleine.« Sie wehrte seine Hand ab. »Geh
jetzt. Ich laufe dir ja nicht davon.«
    Er umfasste ihre Taille.
»Nein, meine Königin, das wirst du nicht tun«, flüsterte er in ihren Nacken.
Sallie spürte, wie die Härchen sich aufrichteten. Dann ließ er sie los und lief
die Treppe hinunter.
    Einen Moment noch wartete
Sallie, bis ihre zitternden Beine sie wieder zuverlässig trugen, dann ließ sie
das Treppengeländer los und flüchtete sich in ihr Zimmer. Sie schloss die Tür
und drehte den Schlüssel herum.
    »Meine Güte«, sagte sie und
rieb sich übers Gesicht. Zu aufgewühlt, um sich zu setzen, ging sie durch das
Zimmer, rückte hier einen Stuhl zurecht, schob da ein paar Kissen von rechts
nach links, fuhr mit den Händen über eine Tischkante und setzte sich dann
entschlossen an ihren Sekretär. Sie klappte ihn auf und nahm ihr Tagebuch in
die Hand. Das weiche Leder fühlte sich warm und lebendig an.
    Sallie zögerte, bevor sie es
aufschlug. Was mochte sie darin zu lesen bekommen? Sie konnte sich nicht
erinnern, jemals in ihrem Leben ein Tagebuch geführt zu haben.
    Sie lachte auf. In welchem
Leben? Anscheinend hatte sie mehr als nur eins. Dieses Leben hier war
jedenfalls das einer beinahe erwachsenen jungen Dame, die eine Affäre mit dem
Grafen Silberwald zu haben schien. Das war Welten entfernt von ihrem Leben als
Küchenmädchen, an das sie sich so schmerzhaft deutlich zu erinnern meinte.
    Sallie nahm ihre Feder, tunkte
sie ins Tintenfass und schlug das Buch auf, fest entschlossen etwas hineinzuschreiben,
ohne sich vorher durchzulesen, was sie oder jemand, den sie für sich selbst
hielt, vor ihr geschrieben hatte.
    Sie setzte die Feder auf die
erste leere Seite, die sie aufschlug, und schrieb Hallo Sallie. Gut, dass du das Buch wiedergefunden hast. Wir müssen uns
beeilen, die Zeit wird knapp.
    »Was?«, entfuhr es ihr. Sie
tunkte die Feder erneut ein und schrieb: Du
hast Bardh getroffen. Sei auf der Hut vor ihm, er kann sehr charmant sein. Er
wird versuchen, dich für sich einzunehmen.
    »Was soll ich tun?«, fragte
Sallie. »Ich sitze hier fest, und mein Vater will bestimmt, dass ich den Grafen
heirate.«
    Die Feder tunkte und schrieb: Er ist nicht dein Vater. Dies ist nicht dein Haus.
Was du siehst, ist Illusion.
    Sallie ließ die Feder sinken
und blickte auf das nieder, was sie geschrieben hatte. »Wer bist du?«, fragte
sie, obwohl die Antwort so offen auf dem Tisch lag wie ihr Buch. Das Buch, das
Redzep gestohlen, beschmiert und zerstört hatte.
    Ihre Hand hob sich, tunkte die
Feder ein und schrieb: Geh jetzt zurück,
Sarah. Du darfst deine Freunde nicht im Stich lassen. Sie haben nur dich.
    Sallie wischte die Feder
sauber und steckte sie zu den anderen. Dann verschloss sie das Tintenfass und
legte das Tagebuch zurück in sein Fach. Sie schloss den Sekretär, stand auf und
sah sich suchend um. »Mein Mantel«, murmelte sie. »Wo habe ich nur meinen
Mantel?«
    Die Tür öffnete und schloss
sich mit einem leisen Knacken. Sallie fuhr herum. Sie hatte doch abgeschlossen,
aber da stand eine Gestalt im Schatten neben der Tür. Sie sah silbergraue
Kleider und aschblondes Haar, das Funkeln von Wolfsaugen. »Willst du spazieren
gehen, Sarah?«, fragte der Graf. »Es ist schon dunkel. Was hältst du von einer
Ausfahrt mit dem Schlitten? Ganz in weiche Pelze gehüllt, nur du und ich?« Er
kam zu ihr und wollte nach ihr greifen, aber Sallie tänzelte rückwärts und hob
abwehrend die Hände.
    Er packte ihre Handgelenke und
zog sie an sich. Sie spürte die harten Knochen und starken Muskeln, die Kraft,
mit der er sie festhielt. »Lass mich los, Bardh«, sagte sie zornig.
    »Sonst ...?«, neckte er sie.
    Sallie biss die Zähne zusammen
und drehte ihre Handgelenke in seinem eisernen Griff. »Lass mich sofort los, du
schrecklicher, böser Wolfskönig!«, rief sie laut und wütend.
    Die Wände ihres Zimmers
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