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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes
Autoren: Patrick Rothfuss
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unvorbereitet, und ich war gezwungen, die Universität zu verlassen.
    Aber das ist, wie man so sagt, eine Geschichte für einen anderen Tag.

Kapitel 92
    Die Musik, die ihn zum Tanzen bringt

    D as dürfte erst mal genügen«, sagte Kvothe und forderte den Chronisten mit einer Geste auf, die Feder niederzulegen. »Jetzt haben wir das Fundament gelegt. Eine Grundlage, auf der die Geschichte aufbauen kann.«
    Kvothe erhob sich, lockerte die Schultern und streckte den Rücken. »Morgen werde ich euch einige meiner Lieblingsgeschichten erzählen. Meine Reise an Alverons Hof. Meine Kampfausbildung bei den Adem. Felurian …« Er nahm sich ein sauberes Leinentuch und wandte sich an den Chronisten. »Braucht Ihr noch irgendetwas, bevor Ihr zu Bett geht?«
    Der Chronist schüttelte den Kopf. Er hatte den höflichen Rauswurf nicht überhört. »Nein, danke. Ich habe alles, was ich brauche.« Er packte seine Ledermappe und ging die Treppe hinauf, zu seinem Zimmer.
    »Geh du auch, Bast«, sagte Kvothe. »Ich räume hier auf.« Er machte eine fortscheuchende Handbewegung, um dem Widerspruch seines Schülers zuvorzukommen. »Geh. Ich muss über die morgige Geschichte nachdenken. Sie nimmt nicht von selbst ihre Gestalt an.«  
    Bast zuckte die Achseln und ging mit vernehmlichen Schritten die Treppe hinauf.
    Kvothe begann sein Feierabendritual. Er schaufelte die Asche aus dem großen schwarzen Kamin und holte Brennholz für morgen herein. Dann ging er wieder hinaus, um die Lampen neben dem Wirtshausschild zu löschen, und musste feststellen, dass er an diesem Abend vergessen hatte, sie zu entzünden. Er schloss die Tür ab und ließ, nachdem er kurz darüber nachgedacht hatte, den Schlüsselstecken, damit der Chronist hinauskönnte, falls er frühmorgens aufwachte.
    Dann fegte er den Boden und wischte die Tische und den Tresen ab. Zum Schluss polierte er noch die Flaschen. Und während er das alles ganz methodisch und gründlich machte, war sein Blick in weite Ferne gerichtet. Er summte nicht, er pfiff nicht, und er sang auch nicht.

    Auf seinem Zimmer ging der Chronist rastlos auf und ab. Er war müde, aber geistig viel zu überreizt, um einschlafen zu können. Er nahm die beschriebenen Seiten aus seiner Mappe und verstaute sie in einer Schublade der großen Kommode. Dann reinigte er die Spitzen seiner Federn und legte sie zum Trocknen aus. Er löste vorsichtig den Verband von seiner Schulter, schabte die Reste der stinkenden Salbe ab, warf sie in den Nachttopf, deckte diesen wieder zu und wusch sich die Schulter an dem kleinen Handwaschbecken.
    Gähnend ging er zum Fenster und schaute hinaus. Doch von der kleinen Ortschaft war nichts zu erkennen. Keine Lichter. Nichts regte sich. Er öffnete das Fenster einen Spalt breit und ließ die frische Herbstluft herein. Dann zog er die Vorhänge zu, zog sich aus und legte seine Kleider über eine Stuhllehne. Schließlich nahm er auch noch den Eisenring ab, den er um den Hals trug, und legte ihn auf den Nachttisch.
    Als er sich zum Bett umwandte, sah der Chronist zu seinem Erstaunen, dass irgendwann im Laufe des Tages die Bettwäsche gewechselt worden war. Das frische Leinen war angenehm steif und duftete nach Lavendel.
    Nach kurzem Zögern ging der Chronist zur Zimmertür und schloss sie ab. Den Schlüssel legte er auf den Nachttisch, runzelte dann die Stirn, nahm das stilisierte Eisenrad, band es sich wieder um, löschte die Lampe und legte sich ins Bett.
    Dann lag der Chronist fast eine Stunde lang schlaflos in seinem duftenden Bett und drehte sich hin und her. Schließlich seufzte er und schlug die Decke beiseite. Er zündete mit einem Schwefelhölzchen die Lampe an und stieg aus dem Bett. Er ging zu der schweren Kommode neben dem Fenster und packte sie mit beiden Händen. Erst wollte sie sich nicht von der Stelle rühren, doch als er sich dann mit dem Rücken dagegen stemmte, gelang es ihm, sie über den glatten Dielenboden zum anderen Ende des Zimmers zu schieben.
    Nach ungefähr einer Minute stand das schwere Möbelstück direkt vor der Zimmertür, und er legte sich wieder ins Bett, löschte die Lampe und fiel schnell in einen tiefen, friedlichen Schlaf.

    Es war stockdunkel im Zimmer, als der Chronist aufwachte, weil sich etwas Weiches auf sein Gesicht drückte. Er schlug wild um sich, eher aus einem Reflex heraus als im Versuch, sich zu befreien. Sein erschrockener Schrei wurde von der Hand gedämpft, die ihm den Mund zuhielt.
    Nach diesem kurzen Schrecken blieb der Chronist
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