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Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers

Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers

Titel: Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
Autoren: Julian Altmann
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Taschen, bis er es endlich fand.
    »Hallo Eva!«
    »Hallo Marc, du fährst heute, nicht wahr?«, Eva, Marcs Mutter, klang wie immer gestresst.
    »Ja, Eva!«, presste er heraus. Um seine Ruhe war es geschehen.
    »Ich wollte dich doch noch sehen, aber mein Meeting in New York hat länger gedauert, tut mir echt leid.«
    »Macht nichts, Eva. Du hättest eh nicht viel von mir gehabt. Ich bin ziemlich müde. Wenn ich wieder zurückkomme, können wir ja mal entspannt essen gehen.«
    »Marc, warum fliegst du alleine? Warum findest du keine Frau? Du könntest so nette Mädchen haben, aber nein. Keine ist dir gut genug.«
    Marc spürte den Zorn in sich aufsteigen. Wie immer, wenn sie mit diesem Thema begann. Da seine Mutter aber sowieso beim Telefonieren in einen Monolog verfiel, brauchte er den Hörer nur ein wenig vom Ohr zu halten.
    »Hast du die heutige Zeitung gelesen? Permanent schreiben sie von dir als Der Einzelgänger. Oder hier: Das Ballgenie ohne Privatleben …«
    Jetzt wurde es ihm zu viel. »Mutter«, und so nannte er sie nur, wenn sie ihn total nervte, »du könntest mir mal gratulieren, anstatt mit so einem Blödsinn zu kommen.«
    Eva merkte, dass es ihm ernst war, und wechselte das Thema. Aber sie hätte ihm fast die Stimmung versaut.
    »Hast du auch all deine Impfungen aufgefrischt?«, fragte sie ihn nun mit gespielter Führsorglichkeit, die aber überhaupt nicht zu ihr passte.
    Marc musste lachen und antwortete: »Sorry, Eva, aber die besorgte Mutter steht dir wirklich nicht. Die macht dich höchstens alt und unerotisch.«
    Nun lachte auch sie kurz auf, und er versprach ihr, sich wieder zu melden.
    Das Taxi raste über die Autobahn an einer Raffinerie vorbei. Eine fantastisch-unwirkliche Welt. Er liebte den Geruch und die futuristische Anmutung der Röhren. Dafür hielten ihn schon viele für total bekloppt. Er hatte noch kaum jemanden in seinem Leben getroffen, der solche Vorlieben mit ihm teilte. Der Taxifahrer riss ihn aus seinen Gedanken. »Welcher Terminal?«
    Beim Aussteigen gab er ihm das versprochene Autogramm und blickte sich nach einem Gepäckwagen um.
    Wie auf Federn betrat er die Flughalle. Der Alkohol vom Vortag tat immer noch seine Wirkung. Er blickte auf die Abflugtafel und musste sofort seine Augen schließen.
    Die fliegenden Buchstaben brachten ihn aus dem Gleichgewicht. Er schmunzelte wieder über sich selbst. Nach dem Check-in entdeckte er im Wartebereich eine kleine Bar. Er setzte sich an den Tresen und bestellte sich seinen lebensnotwendigen Espresso. Nun konnte er ausatmen. Um ihn herum herrschte hektisches Treiben. Diese vielen Menschen erinnerten ihn an einen Ameisenhaufen. Drei kleine Kinder hielten ihre Eltern auf Trab. Sie tollten zwischen den Tischen herum und nahmen überhaupt keine Rücksicht auf die anderen Besucher. Das kleine Mädchen lächelte Marc ganz offen ins Gesicht. Die Kleine hatte krauses Haar und war so dunkel, dass ihre großen Kulleraugen noch größer wirkten. Eigentlich bestand sie nur aus riesigen Augen. Er lächelte sie liebevoll an.
    Willma – wie mag es ihr wohl gehen? Marc wurde bewusst, wie sehr er seine Freundin vermisste. Und die Augen dieses kleinen Mädchens erinnerten ihn ganz stark an sie.
    Sein Flug wurde aufgerufen. Er bezahlte und schlenderte zu seinem Flugsteig. Massen an Menschen warteten in einer schier endlosen Schlange. Er hatte nie verstanden, warum plötzlich alle versuchten, gleichzeitig einzusteigen, sobald ein Flug aufgerufen wurde.
    An einem Kiosk kaufte er sich ein paar Zeitschriften. Im Grunde hatte er sich vorgenommen, das Thema Fußball in den nächsten Wochen zu ignorieren. Aber er konnte der Versuchung nicht widerstehen. Er war auf einem der Titelblätter.
    Der Geruch, wenn man in das Innere eines Flugzeugs steigt, ist fast immer gleich. Fliegt man nicht gerne, könnte man ihn als Gestank bezeichnen. Wenn man, so wie Marc, das Fliegen liebt, ist es der Geruch des Nachhause-Kommens.
    Eine Stewardess erkannte ihn und überschlug sich regelrecht mit ihrer angelernten Freundlichkeit. Marc war solche Aktionen gewohnt und ignorierte ihre Aufdringlichkeit. Er setzte sich an seinen Fensterplatz und baute sich sein Nest. Es war fast wie eine Zeremonie oder ein Ritual. Für zehn oder elf Stunden waren diese zwei Meter sein Zuhause. Wie jedes Mal freute er sich auf das Essen, die Filme, das Träumen, die Turbulenzen und die vielen Länder, die er in so kurzer Zeit überflog – und dass alles so unendlich weit weg erschien.
    In Bangkok
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