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Der Mensch vom Mars. Roman.

Der Mensch vom Mars. Roman.

Titel: Der Mensch vom Mars. Roman.
Autoren: Stanislaw Lem
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Sprenggranaten, dann verließen wir den Saal und zogen hinter uns den Zünddraht aus der abrollenden Trommel der Telephonleitung her.
    Wir gingen durch die Vordertür hinaus. Ich wartete mit der Rolle, während Gedevani zum Fahrer ins Personalgebäude ging. Es war der erste Befehl, den er mit größter Begeisterung und Geschwindigkeit ausführte. Schon nach einer Minute kam der schwarze Buick vorgefahren, der uns in die Stadt bringen sollte.
    »Burke!« sagte der Professor. »Sie fahren bis zum Ende des Sees, einen halben Kilometer von hier, und warten dort auf uns.«
    Der Fahrer, der sich über nichts zu wundern schien, startete den Wagen. Der Motor summte, und in kurzer Zeit war das rote Rücklicht der Limousine in der Dunkelheit der Nacht verschwunden. Es war ziemlich kühl und feucht. Der Professor ging voran, wir drei folgten ihm, wobei ich die Trommel trug, aus der das Kabel ablief.
    Als wir dreihundert Meter durch die Felder gegangen waren, endete das Kabel. Wir ließen uns in einer trockenen Furche auf den Feldern nieder. Ich leuchtete mit der Taschenlampe, und Frazer schloß die Drahtenden an einen speziellen Zündkasten mit einem breiten Griff an und reichte ihn, ohne ein Wort zu sagen, dem Professor. Ich sah zum Haus hin. Es war so dunkel, daß das Gebäude kaum zu erkennen war, nur das Dach mit der Kuppel hob sich vom helleren Himmel ab.
    Der Professor hieß uns, die Köpfe an den Boden zu pressen, und legte den Griff um.
    In der Dunkelheit zeigte sich ein großer, roter Schimmer. Eine dumpf grollende Explosion ertönte, der knallend eine Reihe anderer folgte. Verbindungen zerrissen unter Getöse und Geknatter, man hörte den Lärm und das Krachen in den Flammenzungen der Explosion fallender Maschinen, Donner brach sich, und die Wände stürzten zusammen. Die Trümmer wurden weiter zerfetzt und ächzten, bis aus dem großen, schönen Gebäude ein ungeheurer, noch immer rauchender und in den Flammen glänzender Trümmerhaufen geworden war.
    Stille breitete sich aus. Nur der Regen fiel mit leisem Platschen auf das Gras, und vom Trümmerhaufen in der Ferne bröckelten Steine ab.
    Der Professor erhob sich langsam. »Freunde, unsere Arbeit ist getan«, sagte er.
    »Was für ein trauriges Ende! Drei hervorragende Wissenschaftler haben für dieses Unternehmen mit dem Leben bezahlt. Haben wir etwas gelernt? Ja, eine Wahrheit, wie es scheint. Die Planeten sind einander fremd. Nicht ganz so fremd sind zwei Menschen einander – etwa einer aus dem glühenden Australien, der andere aus dem Packeis des Pols. Nicht ganz so fremd sind Mensch und Tier einander, ein Fisch und ein Insekt. Etwas verbindet sie und fügt sie zusammen. Sie sind unter einem Himmel aufgewachsen. Sie atmen dieselbe Luft. Dieselbe Sonne spendet ihnen Wärme. Gemeinsame Wahrheiten? Ja, es sind Wahrheiten. Aber jede hat ihre guten Seiten nur für sich. Hier geht es, meine Lieben, nicht um den Preis der Entdeckung, des Forschens. Es geht um einen höheren Sinn. Was haben wir noch erfahren? Haben wir das Geheimnis der Energieumwandlung entdeckt? Nein. Oder etwas, was uns neue Erkenntnisse über uns selbst brächte? Eine neue Wahrheit? Leider habe ich sie kennengelernt. Und was nützt mir diese Wahrheit? Meine Freunde, ich habe meine Meinung geändert. Ich werde euch nichts verraten. Nichts. Und nicht die Neugierde, die unglückselige menschliche Neugierde soll euch quälen, sondern die Dankbarkeit mir gegenüber, daß ich euch eben nichts gesagt habe und nichts sagen werde. Denn dieser Marsianer, das war ein schreckliches Geschöpf. Er erkannte, daß ich der Stärkste bin und euch führe. Und er dachte: Um ihn zu zerstören, genügt es zu wollen. Und was werde ich davon haben? Nichts. Ich werde ihn brechen. Ich werde ihm die Augen öffnen für etwas, was er selbst im Traum nicht vermuten würde. Und das tat er auch. Meine Freunde, ich will glauben, daß der Mars nie mehr in Versuchung geraten wird, die Erde zu beherrschen. In dem stahlgepanzerten Plasma dort brüteten unausgesetzt Gedanken, denen jegliches Empfinden fremd war: fremd waren ihnen Haß und Niedergeschlagenheit, Zorn und Wut, aber auch Güte, Freundschaft, Freude und Liebe. Und was zieht den Menschen zur Wissenschaft und zieht ihn an in der Wissenschaft, was in der Erkenntnis, wenn nicht die Liebe – die Liebe zur Wahrheit? Kann ein Mensch etwas ohne Liebe tun?«
    Der Professor verstummte. Unsere Kleidung war vom Regen naß. Der feuchte Wind führte den Brandgeruch zu uns. Im Osten
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