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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring
Autoren: Andrea Schacht
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reichte, leckte sie ihn begeistert ab und schlabberte dann die Schale leer. Danach schien sie an meinen Fersen kleben zu bleiben. Wohin ich ging, Feli war hinter mir.
    Valerius ebenfalls. Es gab eine Terrasse nach Südwesten hinaus und einen Wintergarten für kühlere Tage. Auf der gefliesten Terrasse standen Teakliegen mit gelbweiß gestreiften Polstern. Der Blick über die Felsen und das Meer war beeindruckend schön. Ich setzte mich und streckte die Beine aus.
    »Entschuldigst du mich ein paar Minuten? Ich will Falko wecken.«
    »Sicher.«
    Valerius kam nach einer Viertelstunde wieder, die ich damit verbracht hatte, mit Feli und einem langen Grashalm Haschen zu spielen und meine Haare wieder zu einem festen Zopf zu flechten, was die kleine Rote ungemein faszinierte.
    »Er hat das Fahrrad genommen und ist zu eurem Haus gefahren. Gerade noch rechtzeitig. Die Flut kommt nämlich bald, dann sind wir für ungefähr zwei Stunden hier vom Land abgeschnitten. Willst du so lange bleiben, oder soll ich dich rasch zurückbringen?«

    »Ich nehme an, du hast Vorräte für diese harte Zeit angelegt.«
    »Habe ich, keine Sorge. Was möchtest du?«
    »Nichts im Augenblick. Mich macht schon die Aussicht trunken.«
    Er setzte sich neben mich in einen Sessel, sah ebenfalls hinaus und schwieg. Schließlich sagte er: »Es fällt mir ein bisschen schwer anzufangen, weißt du.«
    »Weiß ich, Valerius. Ich habe mich im März einmal so ähnlich gefühlt. In deinem Vorzimmer.«
    »Es ist dein gutes Recht, mich das spüren zu lassen.«
    »Nein, mein Recht ist das sicher nicht. Ich wollte dir nur zu verstehen geben, dass ich weiß, wie das ist – unsicher zu sein.«
    Er stützte den Kopf in die Hände. Dann sah er hoch.
    »Diese Bilder...«
    »Ich habe sie noch nicht einmal gesehen. Wir sind abgereist, bevor Marc sie ausgedruckt hat.«
    »Sie sind hinreißend. Aber... Ana, ich habe vier Tage unermüdlich nach dir gesucht. Jetzt bist du bei mir, und ich weiß nicht, woran ich bin. Habe ich dich verloren? Bin ich wirklich zu spät gekommen?«
    »Zu spät gekommen für was, Valerius?«
    »Um... ja, eine berechtigte Frage.« Er stand auf und ging auf der Terrasse auf und ab. Dann blieb er vor mir stehen. »Derartige Bilder entstehen nur, wenn sich Modell und Fotograf sehr nahe gekommen sind, nicht wahr?«
    »Möglich. Ich sagte doch, ich habe die Bilder nicht gesehen. Aber wenn du wissen willst, ob ich zuvor mit Marc geschlafen habe, dann ist die Antwort, ja.«
    »Also bin ich zu spät gekommen.«
    »Um mit mir ins Bett zu gehen? Ist es das, weswegen du mich gesucht hast? Bist du deswegen hergekommen?«

    Ich stand auf und ging zu ihm zu der Balustrade, die die rechte Seite der Terrasse von der tiefer liegenden Rasenfläche trennte. Er drehte sich zu mir um und sah mich mit einem kleinen, leicht verlegenen Lächeln an.
    »Nein, Anita. Nicht deswegen. Ich weiß, die beiden Male, die wir uns getroffen haben, endeten auf diese Weise. Danach habe ich Trottel mich nicht mehr bei dir gemeldet. Was glaubst du, wie schäbig ich mir vorkomme? Ich war kritisch, als Falko mir vorhielt, ich wüsste nichts von dir. Da gab es die Sache mit den Drogen – Unsinn, weiß ich heute. Aber ein paar Tage lang war ich misstrauisch. Daraufhin habe ich mir die typische Selbstberuhigungsausrede einfallen lassen: Anita wird sich schon melden, wenn sie meine Hilfe braucht. Das war eine Glanzleistung, nicht wahr? Jan hat mir den Zahn gezogen. Sehr schmerzhaft.«
    »Jan ist ein guter Freund. Ich werde mich in der nächsten Zeit ein wenig mehr um ihn kümmern. Er sollte sein Studium fertig machen. Das Potenzial dazu hat er.«
    »Ich werde ihm helfen, wenn du ihn dazu überreden kannst.«
    Ich sah zu Valerius hoch. In seinen kurz geschnittenen schwarzen Haaren schimmerten etliche graue im klaren Sonnenlicht. Zwei graue Streifen zogen sich auch durch seinen Bart an den Mundwinkeln nach unten. Seine Augen waren dunkel, von Fältchen umgeben und ein wenig müde. Doch sein Gesicht wirkte energisch. Ich verglich ihn mit den Zeichnungen von Marie-Anna. Die Büste von Valerius Corvus, die Skizze von Valerian ohne Zipfelbart. Und mit dem Bild, das die Stiftsdame Anna von dem pockennarbigen Hrabanus gemacht hatte.
    »›Ich bin in vielen Gestalten erschienen, bevor ich die
passende Form fand‹«, zitierte ich leise den keltischen Barden Taliesin. »Ja, es war ein weiter Weg bis hierher.« Ich sprach mehr zu mir selbst.
    »Anahita, du hast so viel daran gesetzt, mich hierher zu
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