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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Herz von dem Glücke erweicht, das eigene, lang beweinte Kind wiedergefunden zu haben, schloß sie freundlich in die Arme, und an der Brust der Mutter, schluchzend in Glück und Jubel, hing Adele.
    »Herr Rittmeister haben befohlen,« sagte Karl, der in diesem Augenblick die Tür öffnete und, über die neue Umarmung betroffen, mitten in seiner Rede und in der Tür steckenblieb.
    »Was gibt's?« sagte Wolf, »was hast du?«
    »Herr Rittmeister haben befohlen,« fuhr Karl rasch und etwas bestürzt empor, »daß der Alte in dem grünen Rock zu Ihnen heraufkommen sollte, wenn er unten fertig wäre. Er steht vor der Tür.«
    »Unser alter Forstwart Barthold von Schildheim, den uns Georg von dort mitgebracht,« rief Wolf rasch, »du kennst ihn ja, Mutter.«
    »Gewiß; es ist noch ein Stück aus der alten Zeit.«
    »Er soll noch warten« sagte Wolf.
    »Zu Befehl, Herr Rittmeister.«
    »Halt!« rief Georg, »bitte, laß ihn herein – er gehört mit dazu, und in diesem schönsten Augenblicke meines Lebens darf mir der alte Mann nicht fehlen, der noch mit treuem Herzen an dem wilden Knaben hängt.«
    »An welchem Knaben?« fragte Wolf erstaunt.
    »An mir,« erwiderte Georg, »aber er kennt mich nicht; laß ihn jetzt zu uns kommen, denn in der rauhen Schale steckt ein wackerer Kern.«
    Wolf winkte seinem Diener, und wenige Sekunden später trat, den Hut verlegen in der Hand herumdrehend, der alte Mann ins Zimmer und blieb an der Tür stehen.
    »Kommt hierher, Forstwart,« sagte Wolf, »ich freue mich, Euch hier und wohl zu sehen.«
    »Gnädigster Herr Graf sind gar zu gütig,« sagte der Alte, der Aufforderung Folge leistend.
    »Meine Mutter dort will Euch guten Tag sagen.«
    »Die gnädigste Frau Gräfin auch hier?« stotterte der Alte, während sein Blick erstaunt und verwirrt von ihr zu den beiden Söhnen hinüberflog.
    »Kennt Ihr mich noch, Barthold?« fragte die alte Dame, »es ist eine lange Zeit, daß wir uns nicht gesehen haben.«
    »Werd' ich Sie nicht kennen, gnädigste Frau Gräfin!« sagte der alte Mann, indem er auf sie zuging und die ihm gereichte Hand ergriff und küßte. »Ihr lieber Anblick tut meinen alten Augen wohl und bringt die alte, langverflossene Zeit wieder lebendig herauf. – Aber – wie ist mir denn?« setzte er hinzu, und wieder fiel sein Blick von Wolf auf Georg, »so hatte ich es mir eigentlich wohl oft gedacht, aber ...«
    »Was habt Ihr Euch gedacht?«
    »O, nichts, gnädigste Frau Gräfin!« rief der Alte bestürzt, »nur alberne Gedanken von mir, wie es mir oft geschieht, daß ich die Jahre verwechsele und mich manchmal um ein Menschenalter dabei verrechne. Halten Sie es mir zugute.«
    »Wir ziehen nach Ungarn, Barthold,« sagte Wolf, »hättet Ihr Lust, Schildheim zu verlassen und uns zu begleiten?«
    »Nach Ungarn – so? Es soll ein schönes, reiches Land sein, mit prächtigen Wäldern und weiten Steppen, wie ich oft gehört – aber daheim – ich habe so viele alte Bekannte in meinem Walde stehen,daß sich das Herz wohl schwer von ihnen losreißen würde. Wenn der Herr Graf aber befehlen ...«
    »Von Befehlen ist keine Rede, Barthold,« sagte Wolf, »es müßte Euer freier Wille sein.«
    »Wollt Ihr nicht mit uns gehen, Franz?« sagte Georg, ihn ruhig und lächelnd ansehend.
    »Franz?« rief der alte Mann fast erschreckt, indem er den Redenden groß ansah. »Franz? lieber Gott, so hat mich nur einer genannt, vor vielen, langen Jahren, und der ...«
    »Den kennt Ihr nicht mehr oder wollt ihn nicht mehr kennen?« fragte Georg gerührt.
    »Den will ich nicht mehr kennen?« rief Barthold, bestürzt die Hände faltend, »großer Gott, wie ist mir denn? – die Frau Gräfin hier und der Herr Graf und Sie – wie zwei junge Eichen von demselben Stamme!«
    »So habt Ihr mit dem Georg so lange gelebt,« sagte dieser herzlich, »und doch nicht gemerkt, daß er derselbe kleine wilde Bursche sei, der damals auf Euch geritten und Euch bös geneckt. Alter Franz, wollt Ihr mit uns gehen?«
    »Bis ans Ende der Welt!« schrie der Alte, dem die großen, hellen Tränen über die Backen liefen, indem er des jungen Grafen Hand ergriff und mit seinen Küssen bedeckte, »bis nach Amerika und Australien, und zu den Menschenfressern, wenn's sein muß! Guter, lieber Gott! nehmen Sie's nicht ungnädig, Herr Graf, aber das Herz ist mir über und über voll, und solche Freude hatte ich mir nicht mehr gedacht. Der kleine Georg – so hat er doch Wort gehalten und ist wieder gekommen – und wie sich meine Vögel
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