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Der Kreis der Sechs

Der Kreis der Sechs

Titel: Der Kreis der Sechs
Autoren: Kate White
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den Boden senkte, versuchte Phoebe, sich die wenigen Minuten in Erinnerung zu rufen, die sie mit dem Mädchen verbracht hatte. Es war vor etwa zwei Wochen gewesen, eines Morgens kurz vor acht Uhr. Phoebe hatte einen Zwischenstopp in der Cafeteria eingelegt, etwas, was sie morgens selten tat – da das widerlich süße Aroma der Pfannkuchen und des French Toasts sie zu sehr an das Internat erinnerte – aber zu Hause war ihr der Kaffee ausgegangen, und sie hatte dringend Koffein gebraucht.
    Nachdem sie das Gebäude des Studentenwerkes verlassen hatte, bemerkte sie, dass es angefangen hatte zu gießen. Glücklicherweise hatte sie einen Schirm in ihrer Tasche, und sie blieb unter der Auskragung stehen, um ihn aufzuspannen.
    Während sie in den strömenden Regen spähte, in dem Versuch, abzuschätzen, wie viel Schaden ihre Slipper von Tod’s erleiden würden, bemerkte sie ein Mädchen, das ein paar Meter entfernt von ihr stand, mit Jeans, einem T-Shirt und einer Baumwollstrickjacke bekleidet. Obwohl sie auffallend hübsch war, sah Phoebe etwas Zaghaftes, sogar Trauriges in ihren Augen und fragte sich, ob sie eine Highschool-Schülerin war, die die Schule besichtigte und nicht wusste, was sie tun sollte. Es erschien ihr gemein, sie zu ignorieren.
    »Brauchen Sie Hilfe?«, rief Phoebe ihr zu.
    »Nein, danke«, antwortete das Mädchen. »Ich habe mich nur gefragt, ob ich den Regen abwarten soll. Aber ich habe einen Kurs.«
    »Ich gehe Richtung Arthur«, sagte Phoebe. »Wenn Sie irgendwo in der Nähe hinmüssen, sind Sie willkommen, meinen Schirm mit mir zu teilen.«
    »Oh, wow, danke«, antwortete das Mädchen. »Ich gehe auch zur Arthur Hall.« Das Mädchen duckte sich unter den Schirm, und nachdem Phoebe »Eins, zwei, drei«, gerufen hatte, fingen sie an, über Gehwege zu flitzen, die bereits mit Pfützen bedeckt waren.
    Bevor sie sehr weit gelaufen waren, blickte das Mädchen zu Phoebe hinüber und rief, das Geräusch des Regens übertönend: »Ihre Bücher gefallen mir sehr.«
    Das ist es also, dachte Phoebe: Sie hat auf mich gewartet. Die Redewendung: »Keine gute Tat bleibt ungestraft«, kam ihr in den Sinn.
    »Danke«, sagte Phoebe. Sie hoffte, dass die kurz angebundene Antwort eine weitere Unterhaltung unterbinden würde.
    »Werden Sie im nächsten Semester auch wieder unterrichten?«, fragte das Mädchen.
    »Ich bin mir noch nicht sicher«, sagte Phoebe. »Das ist noch offen.«
    »Ich wollte wirklich an Ihrem Schreibkurs teilnehmen, aber beide Sektionen waren zu dem Zeitpunkt, als ich hörte, dass Sie für Dr. Mason einspringen, bereits geschlossen.«
    »Tut mir leid. Der Fachbereichsleiter beschloss, die Kurse klein zu halten.«
    Phoebe wusste, dass sie netter zu dem Mädchen sein sollte. »Denken Sie darüber nach, eines Tages professionell zu schreiben?«, ergänzte sie.
    »Ja, ich denke schon. Sachliteratur, wie Sie. Ich mag es, Dinge zu erforschen.«
    »Warum schicken Sie mir nicht eine E-Mail«, sagte Phoebe. »Sobald ich weiß, ob ich bleibe oder nicht, werde ich es Sie wissen lassen.«
    »Danke. Das würde ich wirklich zu schätzen wissen.«
    Phoebe konzentrierte sich wieder aufs Gehen und wich einer Pfütze aus. Trotz des Schirms konnte sie fühlen, dass der Rücken ihrer Jacke beinahe durchgeweicht war. Wenigstens war die Arthur Hall jetzt in Sichtweite. Studenten und Fakultätsangehörige huschten die Stufen hinauf, eifrig bemüht, dem Guss zu entgehen.
    »Kann ich Ihnen eine Frage stellen?«, fragte das Mädchen eilig.
    Phoebe hatte keinen Zweifel daran, was als Nächstes kommen würde. Es würde eine Variation von »Wie ist Angelina wirklich? « sein.
    »Sicher«, antwortete Phoebe ohne Begeisterung. Alles, was sie wollte, war, sich in ihrem Klassenzimmer einzurichten, bevor fünfzehn tropfnasse Studenten durch die Tür getrampelt kamen.
    »Ist es wirklich möglich, noch einmal neu anzufangen? Nachdem man … Sie wissen schon … Bockmist gebaut hat?«
    Phoebes Körper versteifte sich instinktiv. Sie konnte nicht glauben, dass das Mädchen ihr diese Art von Frage stellte.
    »Sie werden mich in einem Jahr noch einmal fragen müssen«, sagte Phoebe brüsk. »Vorher kann ich es nicht wissen, oder?«
    Sie stiegen die Stufen zum Arthur-Gebäude hinauf, und Phoebe klappte den Schirm zu, schüttelte das Wasser ab.
    »Es tut mir leid. Ich meinte damit nicht Sie «, sagte das Mädchen nervös. Phoebe konnte sehen, dass die Wangen des Mädchens sich schnell verfärbt hatten. »Es geht um mich. Ich – ich habe
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