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Der kommende Aufstand

Der kommende Aufstand

Titel: Der kommende Aufstand
Autoren: Unsichtbares Komitee
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Werkstatt enteignet hätte und der
     sich in letzter Verzweiflung daran machen würde, sich selbst
     abzuhobeln. Daher das Getue all dieser jungen Leute, die sich
     darin üben, für ihr Einstellungsgespräch zu lächeln, die sich
     ihre Zähne weiß machen lassen – für einen besseren Aufstieg –,
     die in Nachtklubs gehen, um den Teamgeist zu stimulieren, die
     Englisch lernen, um ihre Karriere zu beschleunigen, die sich
     scheiden lassen oder heiraten, um wieder besser in Gang zu
     kommen, die Theaterseminare machen, um ein Leader zu
     werden, oder »Selbsterfahrungskurse«, um besser »Konflikte zu
     managen« – »die intimste ›Selbsterfahrung‹«, behauptet irgend so
     ein Guru, »wird zu einer besseren emotionalen Stabilität führen,
     zu einer ungezwungeneren Offenheit in Beziehungen, zu einer
     besser orientierten intellektuellen Schärfe und damit zu einer
     besseren ökonomischen Leistung.« Das Gewimmel all dieser kleinen
     Leute, die ungeduldig darauf warten, ausgewählt zu werden, und
     dafür trainieren, natürlich zu sein, fällt in den Bereich eines
     Versuchs, die Ordnung der Arbeit durch eine Ethik
     der Mobilisierung zu retten. Mobilisiert zu sein, das
     heißt, sich auf die Arbeit nicht als Tätigkeit, sondern
     als Möglichkeit zu beziehen. Wenn der Arbeitslose, der
     sich seine Piercings rausnimmt, zum Frisör geht und »Projekte«
     macht, tatsächlich »an seiner Beschäftigungsfähigkeit« arbeitet,
     wie man so sagt, heißt das, dass er dadurch seine Mobilisierung
     bezeugt. Die Mobilisierung, das ist dieses leichte Ablösen von
     sich selbst, dieses minimale Herausreißen aus dem, was uns
     ausmacht,dieser Zustand von Fremdheit, von wo
     aus das Ich als Arbeitsgegenstand eingesetzt werden kann, von wo
     aus es möglich wird, sich selbst zu verkaufen und
     nicht seine Arbeitskraft, sich nicht für das, was man macht,
     bezahlen zu lassen, sondern für das, was man ist, für unsere
     ausgezeichnete Beherrschung der gesellschaftlichen Codes, unsere
     Beziehungstalente, unser Lächeln oder unsere Art, uns zu
     präsentieren. Das ist die neue prostitutionelle Norm von
     Vergesellschaftung. Die Mobilisierung bewirkt die Verschmelzung
     der beiden widersprüchlichen Pole der Arbeit: Hier beteiligt man
     sich an seiner Ausbeutung, und man beutet jede Beteiligung
     aus. Idealerweise ist man für sich selbst ein kleines
     Unternehmen, sein eigener Chef und sein eigenes Produkt. Es geht
     darum, Kontakte, Kompetenzen, ein »Netz«, kurz: »Humankapital«
     zu akkumulieren, egal ob man arbeitet oder nicht. Die weltweite
     Aufforderung, sich bei dem geringsten Vorwand zu mobilisieren –
     der Krebs, der »Terrorismus«, ein Erdbeben, Obdachlose –, bringt
     die Entschlossenheit der herrschenden Mächte, die Herrschaft der
     Arbeit über ihr physisches Verschwinden hinaus
     aufrechtzuerhalten, auf den Punkt.
    Der gegenwärtige Produktionsapparat ist also einerseits diese
     gigantische Maschine zur psychischen und physischen
     Mobilisierung, zum Aufsaugen der Energie der überschüssig
     gewordenen Menschen, andererseits ist er diese Maschine
     zum Aussortieren , die den konformen Subjektivitäten das
     Überleben gewährt und alle »Risikoindividuen« im Stich lässt,
     all jene, die einen anderen Gebrauch des Lebens verkörpern und
     ihm gerade dadurch widerstehen. Auf der einen Seite erhält man
     die Gespenster am Leben, auf der anderen lässt man die Lebenden
     sterben. Das eben ist die spezifisch politische Funktion des
     gegenwärtigen Produktionsapparats.Sich
     jenseits und gegen die Arbeit zu organisieren, aus dem Regime
     der Mobilisierung kollektiv zu desertieren, die Existenz einer
     Lebenskraft und einer Disziplin in der Demobilisierung
     selbst zum Ausdruck zu bringen, ist ein Verbrechen, das eine
     Gesellschaft in Bedrängnis nicht bereit ist, uns zu verzeihen;
     es ist tatsächlich die einzige Art, sie zu überleben.
    8 frz. Geschäftsmann, Politiker und Schauspieler, A.d.Ü.

Vierter Kreis »Einfacher, lustiger,
     mobiler, sicherer!«
Vierter Kreis
»Einfacher, lustiger,
     mobiler, sicherer!«
    Und dass man uns nicht mehr von »der Stadt«
     und von »dem Land« erzähle, und noch weniger von ihrer antiken
     Gegensätzlichkeit. Was sich um uns herum ausbreitet, ähnelt dem
     weder von Nahem noch von Weitem: Es ist eine einzige urbane
     Fläche, ohne Form und ohne Ordnung, eine trostlose, unbestimmte
     und unbegrenzte Zone, ein weltweites Kontinuum von musealen
     Hyperzentren
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