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Der Klient

Titel: Der Klient
Autoren: John Grisham
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derselben Stelle, an der sie zuvor gewartet hatten. Die Garage war so gerade eben zu erkennen.
    Das Blut war in ihre Beine zurückgekehrt, aber steif waren sie immer noch. Ihr Rücken pochte. Sie konnte mit der Hand über den Unterarm streifen und die Beulen der Moskitostiche fühlen. Auf dem Rücken ihrer linken Hand war etwas Blut, vermutlich von einem Dorn im Unterholz oder vielleicht einem Unkraut. Sie schwor sich, falls sie je wieder nach Memphis zurückkehren sollte, würde sie in einen Fitneß-Club eintreten und sich in Form bringen. Nicht, daß sie vorgehabt hätte, sich auf weitere Unternehmungen dieser Art einzulassen, aber sie hatte es satt, daß ihr alles wehtat und sie nach Atem keuchte.
    Mark ließ sich auf ein Knie nieder, steckte einen Grashalm in den Mund und beobachtete die Garage.
    Sie warteten, fast stumm, eine Stunde lang. Als sie den Punkt erreicht hatte, wo sie ihn alleinlassen und hektisch durch den Wald zurückrennen wollte, sagte Reggie: »Okay, Mark, ich gehe jetzt. Tu, was du für richtig hältst, weil ich jetzt verschwinde.« Aber sie rührte sich nicht. Sie kauerten nebeneinander, und er deutete auf die Garage, als wüßte sie nicht, wo sie sich befand. »Ich krieche jetzt dorthin, mit der Taschenlampe, und sehe mir den Toten an oder das Grab oder was immer es war, an dem sie da herumgepickt haben, okay?«
    »Nein.«
    »Es dauert vielleicht nur eine Sekunde. Wenn ich Glück habe, bin ich gleich wieder da.«
    »Ich komme mit«, sagte sie.
    »Nein. Ich will, daß Sie hierbleiben. Durchaus möglich, daß diese Kerle auch warten, irgendwo zwischen den Bäumen. Wenn sie hinter mir her sind, dann will ich, daß Sie schreien und weglaufen.«
    »Nein. Kommt nicht in Frage, mein Junge. Wenn du einen Blick auf den Toten werfen willst, dann will ich es auch, und keine Widerrede. Das ist mein letztes Wort.«
    Er schaute in ihre Augen und beschloß, keine Einwände zu erheben. Ihr Kopf bebte, und ihre Zähne waren zusammengebissen. Sie blickte entschlossen unter der Kappe hervor.
    »Dann kommen Sie mit, Reggie. Bleiben Sie in Deckung und lauschen Sie. Immer lauschen, okay?«
    »Okay, okay. Ich bin nicht völlig hilflos. Mittlerweile bin ich schon so etwas wie ein Experte im Kriechen.«
    Sie griffen abermals auf allen vieren vom Unterholz aus an, zwei Gestalten, die durch die lautlose Dunkelheit glitten. Das Gras war feucht und kühl. Die Pforte, noch offen vom hastigen Rückzug der Grabräuber, quietschte leise, als Reggie mit einem Fuß daran hängenblieb. Mark funkelte sie an. Sie hielten hinter dem ersten Baum inne, dann schlichen sie zum nächsten. Von nirgendwoher kamen irgendwelche Geräusche. Es war zwei Uhr nachts, und die Nachbarschaft war still. Mark machte sich Sorgen wegen des Spinners mit der Schrotflinte nebenan. Er bezweifelte, daß der Mann gut schlafen würde mit einer dünnen Plastikfolie vor seinem Fenster, und er konnte sich vorstellen, wie er in der Küche saß, die Terrasse beobachtete und nur darauf wartete, daß ein Zweig knackte, bevor er wieder losballerte. Sie hielten beim nächsten Baum an, dann krochen sie zu dem Müllhaufen.
    Sie nickte einmal, atmete in kurzen, schnellen Zügen. Sie duckten sich und sprinteten zur Hintertür der Garage, die einen Spaltbreit offenstand. Mark steckte den Kopf hinein. Er schaltete die Taschenlampe an und richtete sie auf den Boden. Reggie folgte ihm.
    Der Geruch war stark und durchdringend, wie von einem toten Tier, das in der Sonne verrottet. Reggie hielt sich instinktiv Mund und Nase zu. Mark holte tief Luft, dann hielt er den Atem an.
    Die einzige offene Fläche in dem vollgestopften Raum war in der Mitte, wo das Boot gestanden hatte. Sie hockten sich neben die Betonplatte. »Mir wird schlecht«, sagte Reggie, fast ohne den Mund zu öffnen.
    Noch zehn Minuten, und die Leiche wäre draußen gewesen. Sie hatten in der Mitte angefangen, irgendwo in der Gegend des Rumpfes, und sich dann nach beiden Enden vorgearbeitet. Die schwarzen Müllsäcke, von dem Beton teilweise zersetzt, waren weggerissen worden. Zu den Füßen und Knien hin hatten sie einen schattigen kleinen Graben ausgemeißelt.
    Mark hatte genug gesehen. Er griff nach dem Meißel, den sie zurückgelassen hatten, und stieß ihn in das schwarze Plastik. »Nicht!« flüsterte Reggie laut, wich zurück und sah trotzdem alles. Er riß den Müllsack mit dem Meißel auf und ließ ihm das Licht der Taschenlampe folgen. Er machte eine langsame Drehung, dann zerrte er mit der Hand an dem
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