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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe
Autoren: Ralf Isau
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»Hier, sind Sie jetzt zufrieden?«
    Der Gefragte würdigte die in Leder gebundene Kladde keines Blickes. »Was soll das?«
    Emanuele dei Rossi tippte mit dem Zeigefinger der freien Hand ins Buch. »Da steht: ›Kunde wünscht keinen Purgat o rio im Deckel. Muss entfernt werden.‹ Sind Sie jetzt zufri e den?«
    »Zufrieden?«, keuchte Manzini. »Sie schreiben in dieses Buch, was ich … Ach, ist ja auch egal. Nachher erzählen Sie allen Leuten in der Stadt, was ich Ihnen zugemutet h a be.«
    »Das ist nicht meine Art.«
    »Man kann keinem von euch trauen.«
    »Was soll das jetzt?«
    »Ihr Juden habt den Herrn ans Kreuz genagelt.«
    »Don Massimiliano! Sie vergessen sich …«
    »Ich sage nur, was alle hier denken. Schmelzen Sie die Uhr ein und machen Sie sich einen siebenarmigen Leuchter draus.«
    »Bitte beruhigen Sie sich doch! Und unterlassen Sie diese Anspielungen. Es geht hier um ein Geschäft, um gegense i tige Abmachungen, und um nichts anderes. Sie bekommen einen Deckel ohne Innenprägung, und dann zahlen Sie den vereinbarten Preis.«
    »Einen Teufel werde ich tun! Sie können die verdammte Uhr behalten.«
    Nico sah, wie sein Vater einen Schritt zurücktrat, w o durch er zur Hälfte aus dem Türspalt verschwand. In seiner leisen Erwiderung schwang ein drohender Unterton. »Wenn Sie es wünschen, Don Massimiliano. In Rom gibt es viele betuchte Leute. Ich werde einen anderen Käufer finden.«
    »Das lassen Sie schön bleiben. Sie werden die Uhr zerst ö ren.«
    »Um meinen Verlust noch größer zu machen? Auf keinen Fall. Ich verkaufe sie, und sollte mir trotzdem ein Schaden entstehen, werde ich ihn notfalls gerichtlich von Ihnen ei n fordern.«
    Manzini japste. »Sie wollen mich verklagen?«
    »Sie lassen mir keine andere Wahl.«
    »Das halten Sie nie durch, Signor dei Rossi.«
    »Wir werden sehen.«
    »Sie verlieren.«
    »Das soll der Richter entscheiden.«
    »Sie sind nichts als ein Käfer, den ich zwischen meinen Fingern zerdrücke, so wie die Uhr, die ich gleich unter meinem Absatz zermalmen werde. Geben Sie das Ding her.«
    Nico sah seinen Vater nun ganz aus dem Türspalt ve r schwinden. »Zahlen Sie den Preis, oder verlassen Sie mein Haus, Don Massimiliano.«
    Manzinis rechte Hand war zuletzt von seinem massigen Köper verdeckt gewesen. Jetzt tauchte sie wieder auf. Sie hielt eine verchromte Pistole. »Ich sage es zum letzten Mal: Her mit der Uhr!«
    »Niemals!«, keuchte Emanuele dei Rossi.
    »Dann zerstören Sie das Ding selbst!«
    »Sie sind ja von Sinnen, Don Massimiliano. Gehen Sie! Sofort!«
    Nico wäre gerne weggelaufen, wenn er es nur gekonnt hätte. Er stand Todesängste aus. Überdies fühlte er seine angewinkelten Beine nicht mehr, konnte sie nicht im G e ringsten bewegen. Warum rückte sein Vater die Uhr nicht heraus? Sie war doch nur ein Ding aus Gold und Edelste i nen, nichts, für das es sich zu sterben lohnte. Oder glaubte er Manzini nicht? Ehrlichkeit gehörte nicht zu dessen Stä r ken, eher schon Drohung und Erpressung – vorausgesetzt, die Gerüchte über ihn entsprachen der Wahrheit.
    »Ich zähle jetzt bis drei«, sagte Manzini. »Ist die Uhr bis dahin noch nicht zerstört, drücke ich ab.«
    »Scheren Sie sich davon!«, entgegnete Nicos Vater tro t zig. Nur dessen zum Ausgang deutende Hand war für den heimlichen Beobachter zu sehen.
    »Eins.«
    Der Junge zitterte jetzt am ganzen Körper. Er war von dem Ernst der Drohung überzeugt.
    »Zwei.«
    »Hören Sie endlich auf damit, Don Massimiliano. Wegen einer Uhr begehen Sie keinen Mord.« Emanueles Stimme klang zornig, aber er wagte auch nicht, gegen den wesen t lich schwereren Gegner vorzugehen.
    Nico schloss die Augen und begann unbewusst eine kle i ne Melodie zu summen, eine Marotte aus frühen Kindert a gen, mit der er bisweilen seine Angst bekämpfte. In der Werkstatt blieb er ungehört, weil sich dort in diesem M o ment jemand von der Stelle bewegte und dabei die Dielen laut knarrten. Das Bild der blitzenden Pistole schien sich durch die Lider des Jungen zu brennen. Er sah die Waffe immer noch, glaubte zu hören, wie sie Atem schöpfte, um ihre tödliche Ladung auszuspeien. Wenn er ihr nur befehlen könnte zu schweigen! Alles in ihm bäumte sich gegen den Augenblick auf, der ihm unabwendbar schien …
    »Drei!«
    … Die Pistole durfte nicht …!
    Klick!
    Nico riss die Augen auf. Im lichten Türspalt war niemand zu sehen.
    Klick, klick, klick!
    Manzini betätigte wiederholt hektisch den Abzug, aber die Waffe verweigerte ihm
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