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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf
Autoren: Raymond Chandler
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und das Plätzchen war ziemlich gruslig, mit all dem verrosteten Eisen und dem alten Holz und den stillgelegten Türmen und den fettig-schaumigen Öltümpeln. Vielleicht hat das sie umgeworfen. Sie sind selbst sicher schon mal dort gewesen. Es ist irgendwie schaurig.«
    »Ja – das stimmt.« Die Stimme klang jetzt dünn und atemlos.
    »Wir sind also dort reingefahren, und ich hab ńe Büchse in ńem Windenrad aufgestellt, nach der sie ballern sollte.
    Plötzlich war sie aus dem Häuschen. Mir kamś vor wie ein milder epileptischer Anfall.«
    »Ja.« Dieselbe winzige Stimme. »Das hat sie hin und wieder.
    Ist es nur das, weshalb Sie mich sprechen wollten?«
    »Ich nehme an, Sie wollen mir immer noch nicht sagen, was Eddie Mars gegen Sie in der Hand hat.«
    »Überhaupt nichts hat er. Und ich bin der Frage allmählich etwas überdrüssig«, sagte sie kalt. »Kennen Sie einen gewissen Canino?«
    Sie zog nachdenklich die feinen, schwarzen Brauen zusammen. »Kann sein. Den Namen muß ich schon mal gehört haben.«
    »Der Ballermann von Eddie Mars. Eine schlimme Type, sagt man. Das war er wohl auch. Wäre mir nicht eine Dame ein bißchen zu Hilfe gekommen, dann wäre ich da, wo er jetzt ist – im Leichenschauhaus.«
    »Die Damen scheinen ...« Sie brach plötzlich ab und wurde blaß. »Ich kann nicht darüber scherzen«, sagte sie einfach.
    »Ich mache auch keine Scherze, und wenn es so aussieht, als redete ich im Kreis herum, so sieht es wirklich nur so aus. Es ist alles miteinander verknüpft – alles. Geiger und seine cleveren, kleinen Erpressungen, Brody und seine Bilder, Eddie Mars und seine Roulettetische, Canino und das Mädchen, mit dem Rusty Regan nicht durchgebrannt ist. Es paßt alles zusammen.«
    »Ich fürchte, ich weiß nicht mal, wovon Sie reden.«
    »Angenommen, Sie wüßten es – dann sähe das Ganze etwa so aus: Geiger hatte Ihre Schwester an der Angel, was ja nicht schwer zu bewerkstelligen ist, und er hatte von ihr ein paar Wechsel, mit denen er Ihren Vater erpressen wollte, auf nette Art. Hinter Geiger stand Eddie Mars, der ihn protegierte und als Handlanger benutzte. Statt zu zahlen, zog Ihr Vater mich heran, woraus sich ergab, daß er nichts zu fürchten hatte. Eben das wollte Eddie Mars wissen. Er hatte etwas gegen Sie in der Hand und wollte wissen, ob er damit auch den General in der Hand hatte. Wenn ja, konnte er ganz auf die schnelle einen Haufen Geld kassieren. Wenn nicht, mußte er so lange warten, bis Sie Ihren Anteil am Familienvermögen hatten, und sich in der Zwischenzeit mit dem bißchen Bargeld begnügen, das er Ihnen über den Roulettetisch hinweg abnehmen konnte. Geiger ist von Owen Taylor erschossen worden, der in Ihre dumme, kleine Schwester verliebt war und nichts übrig hatte für die Spielchen, die Geiger mit ihr spielte. Das interessierte Eddie nicht. Er spielte ein viel größeres Spiel, als es Geiger auch nur ahnte oder als Brody es ahnte, und das niemand kannte außer Ihnen und Eddie und einem schweren Jungen namens Canino.
    Als Ihr Mann verschwand, hat Eddie, der wußte, daß alle Welt wußte, wieviel böses Blut es zwischen ihm und Regan gegeben hatte, seine Frau draußen in Realito versteckt und von Canino bewachen lassen, damit es so aussah, als wäre sie mit Regan durchgebrannt. Er bugsierte sogar Regans Wagen in die Garage des Blocks, wo Mona Mars gewohnt hatte. Aber das klingt ein bißchen einfältig, wenn man es so betrachtet, als wollte Eddie damit nur den Verdacht zerstreuen, daß er Ihren Mann umgebracht hat oder hat umbringen lassen. In Wirklichkeit ist das aber gar nicht so dumm. Er hatte ein anderes Motiv. Er war auf eine runde Million aus. Er wußte, wohin Regan gegangen war und warum, und er wollte nicht, daß die Polizei das herausbekam. Sie sollte sich das Verschwinden so erklären können, daß sie zufrieden war. Langweile ich Sie?«
    »Sie ermüden mich«, sagte sie mit toter, erschöpfter Stimme.
    »Gott, wie Sie mich ermüden!«
    »Das tut mir leid. Ich will wahrhaftig nicht meine Zeit damit vertrödeln, den hellen Knaben hervorzukehren. Ihr Vater hat mir heute morgen tausend Dollar angeboten, damit ich Regan finde. Das ist für mich viel Geld, aber ich kann es nicht machen.«
    Sie riß den Mund auf. Ihr Atem war plötzlich mühsam und rauh. »Geben Sie mir eine Zigarette«, sagte sie undeutlich.
    »Warum?« Der Puls in ihrer Kehle klopfte sichtbar.
    Ich gab ihr eine Zigarette und zündete ein Streichholz an und hielt es ihr hin. Sie füllte ihre Lunge
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