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Der Graf und die Diebin

Der Graf und die Diebin

Titel: Der Graf und die Diebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Amber
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Jeanne war ein großer Trumpf in seiner Hand. Allerdings nur, wenn sie mitspielte.
    „Trinken wir auf die Zukunft, Jeanne“, sagte er und reichte ihr ein Glas Wein. „Sagte ich schon, dass ich stolz darauf bin, eine Tochter wie dich zu haben?“
    Sie lächelte und hob das Glas, um mit ihm anzustoßen. „Auf die Zukunft“, sagte sie. „Und auf die Liebe.“
    „Meinetwegen auch auf die Liebe“, gab er unwillig zu.
    Die Gläser stießen mit leichtem Klirren zusammen, und er leerte den Wein in einem Zug. Gleich darauf griff er sich an die Kehle, sein Gesicht färbte sich dunkelrot, er keuchte.
    „Trink nicht, Jeanne“, stieß er hervor und krümmte sich zusammen. „Der Wein ist vergiftet.“
    „Was?“
    Entsetzt sprang Jeanne auf, eilte zu ihm und versuchte ihm zu helfen. Er wand sich in Krämpfen.
    „Nadine! Rasch!“, rief sie in heller Aufregung. Die kleine Zofe blieb wie angewurzelt an der Tür stehen.
    „So tu doch etwas, Nadine. Er hat Gift getrunken....“, jammerte Jeanne. „Du hast doch so viel von Marie gelernt....“
    Nadine war bleich geworden, doch sie eilte davon und erschien mit einer Wasserkaraffe und einer Schüssel.
    „Er muss es erbrechen. So schnell wie möglich, Mademoiselle. Haltet ihn an den Schultern fest.“
    Jeanne war plötzlich vollkommen ruhig. Mit festen Händen zog sie den Zusammengekrümmten in die sitzende Position und half Nadine dabei, ihm große Mengen Wasser einzuflößen. Dann sah sie voller Respekt dabei zu, wie die kleine Zofe Roger zum Erbrechen brachte, indem sie ihm einen Finger in den Hals steckte.
    „Noch einmal. Immer wieder“, kommandierte Nadine.
    Sie vollzogen die scheußliche Prozedur mehrere Male hintereinander, dann trugen die beiden Frauen den völlig erschöpften Mann auf Jeannes Bett, und Nadine eilte davon, um nach einem Arzt zu schicken. Jeanne setzte sich auf den Bettrand, fühlte Rogers Puls und beobachtete voller Angst, dass sein Körper im Fieber glühte.
    „Der Arzt kommt gleich“, redete sie ihm zu. „Du wirst es schaffen, Roger. Halt durch…“
    Er öffnete die Augen und schien Mühe zu haben, sie zu erkennen. Seine Hand bewegte sich suchend auf der Bettdecke, bis sie ihre Hand in die seine legte. „Jeanne....“ Seine Stimme klang müde. Sie spürte mit Entsetzen, dass er sich aufgegeben hatte.
    „Ich bin hier, Roger. Ich bleibe bei dir. Mach dir keine Sorgen....“
    Er öffnete einige Male den Mund, konnte aber vor Schwäche und Schmerzen keinen Laut herausbringen. Endlich verstand sie sein Flüstern: „Flieh.... Jeanne.... flieh schnell....“
    An der Wohnungstür wurden Geräusche laut, und sie wandte sich um in der Annahme, der Arzt sei gekommen. Als die Schlafzimmertür aufgerissen wurde, sah sie zu ihrer größten Verblüffung einen Offizier und mehrere Soldaten.
    „Duchesse de Gironde“, sagte der Offizier und hob fragend die Augenbrauen.
    „Dieselbe....“, gab sie verblüfft zurück.
    „Ich habe Order, Euch in die Bastille zu bringen. Ihr seid der Giftmischerei angeklagt.“
     
    Man erlaubte ihr den Mantel umzulegen, mitnehmen durfte sie nichts. Sie versuchte sich zu wehren, zu erklären, dass alles nur ein schreckliches Missverständnis sei – umsonst. Der Offizier führte einen Befehl aus, alles Weitere war nicht seine Sache. Sie hörte Nadines verzweifeltes Weinen und hatte die Geistesgegenwart, ihr zu befehlen, Sorge um Roger zu tragen. Dann schob man sie die Treppe hinunter in die Kutsche hinein, die vor dem Haus schon auf sie wartete. Flankiert von berittenen Soldaten setzte das Gefährt sich in Richtung Bastille in Bewegung.
    Sie sah nichts von dem morgendlichen Paris, denn der Offizier hatte die Fenstervorhänge geschlossen und ihr gegenüber Platz genommen. Im engen, halbdunklen Innenraum des Gefährts waren die vertrauten Geräusche der Stadt zu vernehmen: das Geklapper der Pferdehufe, das Schimpfen und Fluchen der Fuhrleute, die Stimmen der Marktfrauen, das Gejohle der Gassenjungen, die der Kutsche zeitweise folgten. Hin und wieder, wenn die Kutsche in ein Schlagloch geriet, glitten die Vorhänge beiseite, und ein Lichtstrahl erhellte das Innere. Sie blickte auf das breite Gesicht des Offiziers, seinen kleinen, wohlgepflegten Schnurrbart und die aufmerksamen, grauen Augen, die sie unablässig beobachteten.
    Die Kutsche hielt an, man hörte knappe Befehle, die Reiter, die sie begleitet hatten, saßen von den Pferden ab und standen bereit, falls die Gefangene auf die Idee kommen sollte, einen Fluchtversuch zu

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