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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat
Autoren: Thomas Darnstädt
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Träger sind geheimnisvoll, und die über das Fernsehen übermittelten Gesichter vom Afghanistankrieg erinnern an das Mittelalter oder wecken Assoziationen an Kindheitsträume der Bedrohung. Furcht, Einschüchterung, Nervosität, ja Hysterie breiten sich aus. Das Risiko lauert überall, aber nicht so konkret, dass wir es als eine Gefahr verbuchen können, deren Abwehr wir Polizei, Armee oder Geheimdienst anvertrauen können. Nicht einmal das Recht ist auf die Risikolage eingestellt.«
    Krieg oder Frieden - was ist das denn nun? Jede Sekunde, ohne Vorwarnung, kann aus jeder Richtung eine terroristische Attacke auf das Bundesgebiet erfolgen: Eine Rakete mit radioaktivem
Material etwa, womöglich sogar ein Flugzeug in der Hand eines Selbstmordkommandos. Schon geistern Ideen durch das Land, eine zu allem entschlossene Terrortruppe könne im Sturm Luxushotels des Landes unter ihre Kontrolle bringen und Hunderte von Wirtschaftsmanagern, Filmsternchen, Politiker als Geiseln nehmen, wie im November 2008 in Mumbai. »Sieg gegen die Terroristen« titelte damals die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - und gab zu bedenken, wie wichtig es eines Tages auch in Deutschland sein könnte, militärische Siege im Krieg gegen den Terror zu erringen. Auf Krieg gebürstet: Dies ist keine Hysterie sondern die Vorgabe der Sicherheitsstrategen bei der Nato in Brüssel und bei der Regierung in Berlin. »Im Zeitalter des weltumspannenden Dschihad-Terrorismus«, sagt Michael Rühle, Chef der politischen Nato-Planungsabteilung in Brüssel, »ist der Westen selbst Kriegspartei.« Und er fügt hinzu: »Weitere Einsätze - auch Kampfeinsätze - der internationalen Gemeinschaft sind unvermeidlich.« Ziviler, aber nicht beruhigender klingt diese Einsicht aus dem Munde des deutschen Innenministers: »Auch die Vereinten Nationen«, behauptet Schäuble, »gehen von einem existenziellen Gefährdungspotenzial des Terrorismus für die gesamte westliche Welt aus.«
    Vom »Krieg gegen den Terror« spricht hier in Uedem natürlich niemand, das Wort ist tabu in Deutschland. Der letzte amerikanische Präsident George W. Bush benutzte es dafür umso häufiger - für die selbe Sache, den Versuch, sich gegen eine weltweit vernetzte, allgegenwärtige terroristische Bedrohung zu wehren, gegen Kriminelle, deren Verbrechen so gewaltig sein können, dass sie als kriegerische Angriffe gewertet werden müssen.
    Ein Jumbojet, der in ein so schlecht geschütztes Atomkraftwerk wie etwa das niederbayerische Isar I gesteuert wird; ein Linienflugzeug, das im Sturzflug in ein vollbesetztes Fußballstadion rast; eine Bombe in einem ferngesteuerten Leichtflugzeug: All dies scheint nach dem 11. September möglich geworden zu sein. »Möglich« heißt nicht wahrscheinlich, aber es ist eben auch nicht auszuschließen. »Möglich« heißt, dass man nichts weiß, weder
etwas Beruhigendes noch etwas Beunruhigendes. Das ist das Problem der Männer in Uedem.
    Krieg oder Frieden, Soldaten oder Polizisten, im Halbdunkel des Silura-Kommandoraumes verschwimmen die Unterschiede. Hier, im Nebenzimmer eines Nato-Gefechtsstandes, lässt die Furcht vor dem Terrorismus alle Abwehrkräfte des Staates enger zusammenrücken. In Erwartung des großen Knalls, des jederzeit möglichen Angriffs islamistischer Attentäter auf das Zentrum Europas, die Hochburg des verhassten Abendlandes, wird der Staat zur Festung. Der Kalte Krieg, der wie wir heute wissen die Welt mehrfach an den Rand des Abgrunds brachte, war für die Militärs vergleichsweise einfach zu gewinnen. »Im Kalten Krieg«, sagt der Standortkommandant Generalleutnant Hans-Joachim Schubert, »wussten wir, der Gegner kommt von Osten geflogen. Nun müssen wir mit Angriffen aus allen Richtungen rechnen.« Kann man da überhaupt gewinnen?
    Was da auf uns zukommt, ist nicht zu fassen, nutzlos der Streit, ob es Krieg oder Verbrechen ist, Gefahr oder - nur Hysterie? Das Unheimliche ohne Namen und Richtung ist möglich. Das reicht. Alle Versuche, ein konkreteres Bild zu gewinnen über das Drohende, es zu verdichten durch Einschätzungen der Gefährlichkeit besonderer Situationen, bringen uns nicht weiter. Um das zu begreifen, braucht es nur einen Klick auf die Homepage der Leute, die weltweit für sich in Anspruch nehmen, den Krieg gegen das Böse anzuführen: der Abwehrspezialisten des US-Homeland-Security-Ministeriums. Wie gefährlich die Welt ist, wird dort täglich in bunten Farben ausgewiesen. So war die Lage am 2. Oktober 2008: Gelb.
    Aha,
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