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Der Geliebte

Titel: Der Geliebte
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der Küche betätigte, ging nun das Licht an. Von einer Trommel rollte Eric ein langes Stromkabel ab, das bis zu unserer provisorischen Wohnstätte reichte: endlich Elektrizität. Unser Haus war versichert, und wir hatten einen Telefon-Festnetzanschluss. Vorne an der Straße, am Ende der vierhundert Meter langen Wagenspur, die unsere Zufahrt markierte, stand ein Briefkasten mit unserem Namen. Und das alles hatten wir selbst arrangiert.
    »Es regnet«, stellte Eric fest und sah dabei verwundert aus. Er schaute schräg nach oben, als käme ihm dieser Umstand erst jetzt zu Bewusstsein.
    »Ja, es regnet. Schon wieder. Oder immer noch.«
    Eric schaute auf die Uhr. »Wann wollten sie eigentlich hier sein?«
    »Zwischen fünf und sechs, hat Ellen geschätzt.«
    »Und wann sind sie losgefahren?«
    »So gegen acht.«
    »Dann wird es bestimmt zwei Stunden später.«
    Ben war sechzig, fünfzehn Jahre älter als meine Schwägerin Ellen. Er arbeitete schon sein ganzes Leben lang zwischen allen möglichen Maschinen. Ben hatte ein besonderes Talent, das in gewisser Weise charakteristisch für ihn war. Mein Schwager brauchte nicht auf irgendwelche kleinen Zeiger zu achten, um beurteilen zu können, ob eine Maschine optimal lief. Er hatte ein Gehör dafür. Der Toyota der beiden lief bei 90 km/h optimal. Also fuhr Ben 90 km/h. Grundsätzlich.
    »Dann können wir im Dorf noch etwas essen gehen«, hörte ich Eric sagen. »Und uns nochmal nach Handwerkern erkundigen. Ich fange hier echt nicht alleine an. Das hat überhaupt keinen Zweck. Übrigens sind im Dach auch ein paar von den Balken morsch, glaube ich.«
    Ich streckte den Rücken durch. »Wollen wir nicht lieber Leute aus den Niederlanden holen? Vielleicht haben ja die beiden Polen Zeit, die zwei Brüder, die letztes Jahr bei Henk und Marga die Dachgaube gemacht haben. Das ist offenbar sehr gut geworden. Vielleicht haben sie …«
    Er schüttelte den Kopf. »Keine Polen. Das läuft hier anders. Andere Maße, anderes Material. Wenn die Arbeiter von hier kommen, wissen sie, was es wo zu kaufen gibt und was genau sie brauchen, dann geht auch alles schneller. Außerdem macht es einen guten Eindruck, wenn wir mit Franzosen arbeiten. Wenn wir Ausländer herholen, die ihnen die Arbeit wegnehmen, werden sie davon nicht begeistert sein. Ich will hier etwas aufbauen, nichts kaputt machen.«
    »Eric, von der Straße aus ist das Haus nicht mal zu sehen, hier kommt nie jemand her!« In meiner Stimme klang Verzweiflung mit. »Und in drei Monaten bricht der Winter an. Ich darf gar nicht daran denken, dann immer noch in diesem Wohnwagen zu hocken.«
    »An den Gedanken solltest du dich aber allmählich gewöhnen, denn selbst wenn hier zehn Mann Tag und Nacht durcharbeiten, wird das vor Februar nicht fertig. Ich konnte nicht voraussehen, dass das Haus in so schlechtem Zustand ist. Das Dach, die Sparren, die Balken, die Dielen, die Strom- und Wasserleitungen. Es ist ein sehr altes Haus, und es steht schon seit dreißig Jahren leer. Das kannst du nicht schnell mal in ein paar Monaten herrichten. Mach dir keinen Stress, Schatz. Wir werden schon sehen, was auf uns zukommt.«
    »Aber«, sagte ich schon etwas weniger streitlustig, »wenn wir Leute holen, geht wenigstens mal was voran. Wir sind jetzt schon eine Woche hier, und wir haben nichts außer einem Wohnwagen, einer Satellitenschüssel und Strom. Ich weiß ja, dass es länger dauern kann, als wir ursprünglich dachten, und ich will auch nicht so schwierig sein, aber wenn wir wenigstens einen Anfang machen könnten, wäre das doch schon mal was. Wenn zumindest das Dach mal gemacht würde und man im rechten Flügel Fenster hätte und eine Eingangstür, dann könnten wir wenigstens rein. Unsere Sachen auspacken.«
    Ich meinte den weißen Überseecontainer, der rechts neben der Zufahrt im Regen stand und unseren Hausrat enthielt. Ich machte mir ein bisschen Sorgen, ob nicht die Perserteppiche und unsere Winterklamotten von Schimmel befallen oder der Computer und die Stereoanlage zu rosten anfangen würden. Ob das Ding aus Metall überhaupt wasserdicht war, hatte ich bislang nicht mal zu eruieren gewagt.
    An Erics Miene war deutlich abzulesen, dass er nicht mit sich verhandeln lassen würde. »Simone, wir sind erst seit einer Woche hier. Was hast du denn plötzlich?«
    Ich rieb mir mit den Händen übers Gesicht. »Tut mir leid. Das kommt von der Anspannung. Und ich bin so müde. So viele neue Eindrücke, der Abschied von zu Hause … Das vergeht schon
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